DARC e. V. Vorstandsinformationen vom 22.04.2002

Der Vorstand informiert zum Thema: Mündliche Verhandlung – Klage gegen Verfügung 306/97


Am Freitag, dem 19.04.2002, fand nach nunmehr über drei Jahren Prozessdauer die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln in Bezug auf unsere Klagen gegen die Verfügung 306/97 statt. Der DARC hatte seinerzeit beschlossen, die Klagen von Funkamateuren, die besonders von den Herzschrittmachergrenzwerten betroffen sind, stellvertretend für alle DARC-Mitglieder fachlich und finanziell zu unterstützen. Diese Taktik hat sich im Prozess insofern ausgezahlt, als durch die drei Klagen der DARC-Mitglieder Dr. Walter Schlink, Thilo Kootz und Jürgen Sapara die spezifische Betroffenheit durch die HSM-Grenzwerte der DIN 0848 Teil 2 von Oktober 1991 verdeutlicht und ebenfalls klargestellt werden konnte, dass sich die Klagen nicht gegen die international anerkannten Personenschutzgrenzwerte richten.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung, vertreten durch Frau Hildebrandt die Anträge gestellt, die Verfügung 306 aufzuheben bzw. hilfsweise festzustellen, dass die sich aus der Verfügung 306 ergebenden Pflichten zum Schutz von HSM-Trägern für die Kläger nicht bestehen. Das Verwaltungsgericht hat sodann mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert. Deutlich wurde dabei die Kritik des Verwaltungsgerichts an der Bundesregierung bzw. dem zuständigen BMWiT trotz Inkrafttretens des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen am 08.02.2001 und Außerkrafttreten der Rechtsgrundlage für die Verfügung 306 (§ 6 TKZulVO) am 07.04.2001 bisher noch keine neue Verordnung zum Schutz von Personen in elektromagnetischen Feldern erlassen zu haben.

In diesem Zusammenhang verdeutlichten die Vertreter der RegTP aufgrund einer Weisung des BMWiT im Standortverfahren bereits die Grenzwerte der DIN VDE 0848 Teil 3-1/A1 Entwurf Februar 2001 zugrunde zu legen. Auf Nachfrage des Gerichts solle dies auch für die Funkamateure gelten, die entweder eine Standortbescheinigung beantragen oder ihre Selbsterklärung bei der RegTP abgeben.

Zur Erläuterung: Die DIN VDE 0848 Teil 3-1 von 1999 enthält bereits verbesserte HSM-Grenzwerte, die auch für den Amateurfunk gelten. Der Teil 3-1/A1 vom Februar 2001 baut darauf auf und verbessert die HSM-Grenzwerte aufgrund der Modulationsarten im Amateurfunk und ihrer Wirkung auf HSM. Gleichwohl sahen sich die Vertreter der RegTP nicht in der Lage, weitere Zusicherungen zu geben oder gar eine Erklärung abzugeben, dass die angefochtene Verfügung 306/97 des ehemaligen BMPT aufgehoben wird.

Da die Verfügung 306 daher noch faktisch Bestand hat und auch trotz Bekundungen eine gewisse Unsicherheit besteht, ob die neue Verordnung auf der Grundlage des § 12 FTEG über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt, wurde zwischen den Beteiligten weiter streitig verhandelt.

Die Kläger, die vom DARC unterstützt werden, haben dabei materiellrechtlich insbesondere auf die Unbestimmtheit und Unverständlichkeit der Verfügung 306 abgehoben, was sich besonders in einigen Definitionen, wie beispielsweise „ortsfest“ zeigt. Darüber hinaus wurde auf die Tatsache abgehoben, dass die Ermächtigungsgrundlagen § 59 TKG und § 6 TKZulVO durch Änderung der Rechtslage, d. h. durch Inkrafttreten des FTEG, entfallen sind. Da somit die grundsätzliche Pflicht, die Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern zu gewährleisten nicht mehr normiert ist, ist die Verfügung 306 unseres Erachtens rechtswidrig und daher aufzuheben.

Zudem wurde auf die fachlich überholte Norm DIN 0848 Teil 2/1991, die der Verfügung 306 für die Herzschrittmachergrenzwerte zugrunde liegt, abgestellt. Die Norm beruht auf Untersuchungen an Herzschrittmachern aus den Jahren 1986 bis 1988, die heute bei einer durchschnittlichen Implantatszeit von 10 Jahren nicht mehr implantiert sein können. Heute gibt es neuere und störfestere HSM, auf die sich auch der Teil 3-1/A1 bezieht. Die DIN 0848 Teil 2/1991 enthält außerdem ein falsches Einkoppelungsmodell, was ebenfalls mittlerweile im Teil 3-1 berichtigt worden ist sowie weitere sachliche Fehler (z. B. dass die Messanordnungen seinerzeit falsch waren). Herzschrittmacher sind heute durch Produktnormen der 90er Jahre weitestgehend störsicher geworden. Darüber hinaus habe die DKE das Schutzkonzept, das der DIN 0848 Teil 2/1991 zugrunde liegt (so genanntes Worst-Case-Prinzip) grundsätzlich aufgegeben und in Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Lastenteilung zwischen Felderzeuger und BMG beschlossen. Danach ist der erste Weg in Richtung einer wahrscheinlichkeitstheoretischen Risikobetrachtung geebnet, an der es der DIN 0848 Teil 2 mangelt. Außerdem betrachtet diese nicht die speziellen Auswirkungen der Modulationsarten des Amateurfunks auf HSM. Auch diese sind nun im Teil 3-1/A1 festgelegt. Diese neuen Grenzwerte dürften, jedenfalls was den derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik anbetrifft, daher unstreitig sein.

Im Übrigen wurde sich auf die Empfehlung des Rates der Europäischen Union von 1999 sowie auf die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission von 2001 gestützt, worin verdeutlicht worden ist, dass die Störprobleme bei HSM im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften für die elektromagnetische Verträglichkeit und Medizinprodukte gelöst werden müssten. Daher müsse die EMV der Implantate verbessert werden. Hier seien sowohl das Bundesgesundheitsministerium als auch die Hersteller von HSM gefragt. Nach alledem wurde der Verfügung 306 darüber hinaus die Verhältnismäßigkeit abgesprochen. Sie sei weder geeignet noch erforderlich, den Schutz von HSM-Trägern wirksam zu gewährleisten. Im Übrigen stelle sie eine Überregulierung zu Lasten der Kläger dar, denen zum Beispiel der international gewährleistete Kurzwellenamateurfunk wesentlich erschwert bzw. gänzlich unmöglich gemacht würde. Letztlich sei kein Fall bekannt, in dem HSM-Träger durch Funkamateure geschädigt wurden. HSM-Träger unter den Funkamateuren berichten über keinerlei Beeinflussungen.

Trotz der klaren Zweifel an der Verfügung 306 sowie der in Bezug auf die HSM-Grenzwerte zugrunde liegenden DIN-Norm äußerte das Gericht Zweifel an der Verwaltungsaktsqualität der angefochtenen Verfügung, was aber notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage sowie einer Fortsetzungsfeststellungsklage (für den Fall der Erledigung durch Änderung der Rechtslage) ist.

Das Verwaltungsgericht wies auf die Möglichkeit hin, bei einer Nichteinhaltung der Verfügung 306 gegen aufgrund des AFuG erlassene Betriebseinschränkungen oder Verbote rechtlich vorzugehen. Insofern bestünden gewisse Zweifel am selbstständigen Anordnungsanspruch der Verfügung 306. Dagegen wurde vorgetragen, dass sich die Verfügung direkt an Funkamateure richtet und ihnen ihre Handlungsweisen vorgibt (siehe Wortlaut: Der Betreiber einer ortsfesten Amateurfunkstelle ist verpflichtet ...). Auch ohne eine Ermächtigungsgrundlage aus dem AFuG sei daher ein Vorgehen gegen Funkamateure aufgrund der Verfügung 306 direkt möglich.

Der hilfsweise erhobene Feststellungsantrag bezieht sich insofern auf die Konstellation, dass das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Anfechtungsklage verneinen könnte. Hier bedarf es dann eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses, d. h. das Verwaltungsgericht müsste zu der Auffassung gelangen, dass ein nachträglicher Rechtsschutz für die Kläger unzumutbar ist.

Das Verwaltungsgericht hat das Urteil nicht bereits am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet, sondern beschlossen: Die Entscheidung wird den Beteiligten zugestellt. Hiermit ist in etwa 2–3 Wochen zu rechnen. Wir sind davon überzeugt, dass das VG unserer Rechtsauffassung folgen wird. Eine dezidierte Auswertung unter anderem auch für eventuell notwendige Rechtsmittel wird dann vorgenommen.


Ende der Vorstandsinfo vom 22.04.2002

Archiv-Bearbeitung: DC7XJ

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