Anlage 3 zum HV-Protokoll 1996


Bericht des Vorstands zur HV am 11./12.05.1996

Meine Damen und Herren, dieser Bericht befaßt sich mit der Gesamtsituation des DARC und geht nicht auf Einzelheiten der Vorstandsarbeit des vergangenen Jahres seit der Hauptversammlung im Mai 1995 in Braunschweig ein.

Die Arbeit des DARC-Vorstands war, wie in den Vorjahren, ganz wesentlich bestimmt durch die Veränderungen in der Regelung der Telekommunikation in Deutschland. Dabei haben sich Intensität und Aufwand der Tätigkeit weiter erhöht. Zur Illustration möchte ich eine vor wenigen Monaten getroffene Aussage wiederholen:

Allein von seiten unseres Gesetzgebers waren in den letzten zwölf Monaten von uns nicht nur zu beachten, sondern immer wieder auch zu bearbeiten und in unsere Gespräche und Überlegungen mit einzubeziehen:

Das ist mehr, als der Amateurfunk in Deutschland vorher in 40 Jahren an rechtlichen Veränderungen und Neuregelungen zu verdauen hatte. Es ist nicht einfach, in diesem Umfang gleichzeitig politisch wirksam zu handeln, eine komplizierte, administrative Sachdiskussion kompetent zu führen und obendrein nach innen immer wieder erklären zu müssen, warum dies und jenes nun gerade so und nicht anders ist. Da bleibt für die eigentlichen Fragen der Verbandsführung wie Referate, Geschäftsstelle, Clubzeitschrift, Finanzen, Projekte und was da sonst noch alles ansteht, viel zu wenig Zeit. Aber unsere Kräfte sind begrenzt und wir müssen Schwerpunkte setzen.

Erlauben Sie uns einmal ein paar Zahlen. Rechnet man die Tage mit Auswärts-Terminen einmal mit zehn Stunden, so sind alle drei Vorstandsmitglieder im Mittel mehr als 60 Stunden wöchentlich für den DARC tätig. Allein zu den auswärts-Terminen waren DK9HU und DL9MH mehr als 100 Tage unterwegs und DL3OAP, obwohl er noch berufstätig ist, über 60 Tage. Nun werden Vorstandsmitglieder ja nicht zu „irgendwelchen“ Gelegenheiten reisen. In der Regel sind es Anlässe, auf die man sich vorbereiten muß. Sie können also davon ausgehen, daß die gleiche Zeit wie für die Reise, noch einmal für die Vorbereitung benötigt wird. So viel zu diesem einen Komplex. Zu dem, was man als gestalterische Führungsaufgabe von einem Vorstand auch erwartet, kommen wir dann, wenn wir die Berge von Post abgearbeitet haben, die sich während der Reisen zu Hause ansammeln. – Wenn nicht bis dahin die Familie ernsthaft zur roten Karte greift.

Wir bringen diesen Einsatz gern und mit Engagement. Aber wir bitten um Verständnis dafür, daß wir aus Zeitgründen manchmal sogar DVen gegenüber „kurz angebunden“ sind. Und vielleicht denkt der eine oder andere DV darüber auch einmal nach, bevor er den einen oder anderen Antrag formuliert.

Nun aber zur Lage von Amateurfunk und DARC, die ich in vier Punkten beleuchte, nämlich

Allgemein schätzen wir die Situation des Amateurfunks in Deutschland so ein: Er hat viel von seinem früheren, technischen Nimbus in der Bevölkerung verloren. Die kreative Eigenleistung. der Funkamateure wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, denn die sieht schließlich nur, daß Funkamateure mit Funkgeräten irgend etwas machen und das tun mittlerweile sehr viele andere auch.

Diese Veränderung hat Konsequenzen, von denen die wichtigste wohl die ist, daß unsere Attraktivität für den jugendlichen Nachwuchs zurückgegangen ist. Aber auch und gerade jetzt in der politischen Auseinandersetzung über die Position des Amateurfunks in einer total veränderten Kommunikationswelt erweist sich das als Manko, das wir mit steigendem Aufwand an Öffentlichkeitsarbeit versuchen müssen zu kompensieren.

Bisher sind wir hierbei durchaus erfolgreich und unsere Chancen, die Phase der rechtlichen Neuregelung der Telekommunikation ohne Schaden zu überstehen, schätzen wir im Vorstand nicht schlecht ein. Aber die Situation ist weiterhin brisant. Für Rechtsberatung, für internationale Normungsarbeit und für Öffentlichkeitsarbeit müssen wir mehr und mehr Aufwand treiben. Sie brauchen nur zehn Jahre zurückzugreifen, dann sehen Sie die Veränderung deutlich. Der DARC betätigt sich heute auf einem Parkett, auf dem die Partner oder auch die Kontrahenten milliardenschwere Konzerne sind. Das ist wie der berühmte „Ritt über den Bodensee“. Ein kleiner Fehler, vielleicht nicht einmal von uns selbst begangen, kann unübersehbare Folgen haben.

Mittlerweile haben wir wohl den längsten Teil des Weges hin zu einer rechtlichen Neuregelung hinter uns. Wenn wir erst einmal an dem rettenden Ufer eines verabschiedeten, neuen Amateurfunkgesetzes angelangt sind, wird viel von der unmittelbaren Gefahr gebannt sein. Gefahr kann uns aber auch dann noch aus den Gebieten der elektromagnetischen Verträglichkeit von Geräten und des Schutzes von Personen in elektromagnetischen Feldern erwachsen. Hier sind es vor allem die Unvernunft und die Uneinsichtigkeit mancher Funkamateure, die das Problem verschärfen können. Wir werden viel Aufklärungsarbeit leisten müssen und, als ganz konkretes Projekt, unsere EMV/EMVU-Arbeitsgruppen möglichst schnell zu einem schlagkräftigen Instrument entwickeln müssen.

Die Finanzlage des Clubs ist dank eines immer stärker ergebnisorientierten Einsatzes der Mittel solide. Als Folge dieser strengeren Maßstäbe handeln wir uns gelegentlich den Unwillen von Funktionären ein, wie etwa bei der Bezuschussung von Reisen der Distriktsvorsitzenden zur HAM RADIO. Die Verlag GmbH und die AFu Service für den Amateurfunk GmbH arbeiten finanziell erfolgreich, wie Sie an anderer Stelle hören werden.

Ich habe von der schwindenden Attraktivität des Amateurfunks für jugendlichen Nachwuchs gesprochen. Sie sehen aus den Ihnen vorliegenden Zahlen über die Mitgliederentwicklung des DARC den – z. Z. noch leichten – Rückgang der Mitgliederzahlen. Diese Zahlen resultieren aus zwei gegenläufigen Entwicklungen, nämlich rückläufigen Neuzugängen und einer steigenden Zahl von Abgängen durch Tod. Das Durchschnittsalter unserer Mitglieder liegt über 50 Jahre. Unter den Neuzugängen verzeichnen wir einen zu geringen Anteil Jugendlicher.

Um auf diese Entwicklung gezielt zu reagieren, bedarf es einer Grundsatzentscheidung. Entweder wir fahren fort wie bisher und erhalten den Amateurfunk und den DARC in ihrer heutigen Form. Dann wird der DARC in der kommenden Dekade schrumpfen. Er wird damit weniger Chancen zur Vertretung des Amateurfunks haben. Oder wir verfolgen eine neue Verbandsstrategie, die uns neue Mitglieder- und Finanzquellen öffnet. Dies kann dem DARC die Chancen und Mittel zur Vertretung des Amateurfunks erhalten oder sogar erweitern. Der Preis ist jedoch eine Veränderung des Mitgliederspektrums. Die Strategie muß also gut überlegt sein, da dabei der Amateurfunk in Qualität und Charakter keinen Schaden nehmen darf. Der Vorstand hat erste Überlegungen hierzu dem AR vorgetragen. Die Entscheidung über die weitere Zukunft des Clubs aber wird satzungsgemäß beim AR liegen.

Zum Schluß möchte ich ein Thema aufgreifen, das offenbar mit viel Emotionen belegt ist. Die Struktur des DARC ist und war seit längerem Gegenstand immer neuer Überlegungen. Der Amateurrat hat sich mehrfach, zuletzt im Jahre 1994, mit diesem Thema befaßt. Gleichwohl hat der DARC, von einigen ganz kleinen Änderungen abgesehen, seit seiner Gründung vor 46 Jahren die gleiche organisatorische Struktur. Aus dem Verein von damals ist aber mittlerweile ein Bundesverband geworden, der zwar noch immer die Rechtsform eines eingetragenen Vereins hat, in seinen Aufgaben und seiner politischen Aktivität aber eher mit Gewerkschaften, politischen Parteien oder anderen Großvereinigungen zu vergleichen ist.

Unter den veränderten und verschärften, heutigen Arbeitsanforderungen werden nun einige Schwächen der gewachsenen Organisation deutlicher als noch vor ein paar Jahren. Im Vordergrund stehen dabei zwei miteinander verwobene Komplexe: Erstens die in der Satzung verankerte Mehrfachrolle des Amateurrats einmal als Mitgliederversammlung und zum anderen als Beratungsgremium. Zweitens die Mehrfachfunktion der Distriktsvorsitzenden. Sie agieren als Vertreter ihrer Distrikte, also von Regionalinteressen. Sie sind quasi „Aufsichtsräte“, wenn der Amateurrat als Mitgliederversammlung tagt. Und sie sind Mitglieder eines hochrangigen Arbeits- und Beratungsgremiums, wenn der AR seine Arbeitstagungen abhält.

In der Funktion des AR als Mitgliederversammlung wird die Beteiligung der Basis von vielen Mitgliedern und auch von Funktionären als ungenügend empfunden. In der Funktion des AR als Beratungsgremium führt die Vermischung von Regionalinteressen und der in dieser Rolle nicht gegebenen Aufsichtsfunktion häufig zu Konflikten und zu Mißverständnissen. Erstmals seit Jahrzehnten hat sich nun der Vorstand in Klausur dieses Themas angenommen und ein paar Grundgedanken formuliert, die er dem AR in dessen Rolle als Beratungsgremium vorgetragen hat. Der Vorstand spricht die Hoffnung aus, daß die nun angestoßene Diskussion weitergehen möge mit dem Ziel, die Arbeit der organisatorischen Institutionen Mitgliederversammlung, Vorstand und Amateurrat von gelegentlichen Mißverständnissen und daraus entstehenden Konflikten zu befreien.

Damit möchte ich den diesjährigen Bericht des Vorstands abschließen. Der Vorstand dankt dem Amateurrat für die Zusammenarbeit während des abgelaufenen Vereinsjahres. Er bedankt sich sehr herzlich bei dem Geschäftsführer und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle für ihre gute Arbeit. Und er ist in besonderem Maße seinen Referenten und deren Mitarbeitern dankbar für ihre aufopfernde, psychisch oft belastende, ehrenamtliche Tätigkeit.

Dr. Horst Ellgering, DL9MH


Abschrift und Archiv-Bearbeitung: DC7XJ


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