Anlage zum OV-Rundschreiben 2/68 vom 26.02.1968


1. Vorsitzender

Dönberg, im Februar 1968
p/v 232

Verteiler:
OV-Rundschr. 2/68

Liebe OM des OV Ingolstadt,

Ihr an mich gerichteter „Offener Brief“ vom 02.01.1968 ist gut, geschickt und wirkungsvoll gemacht. Leute, die so etwas können, gehören in die Wahlbüros der politischen Parteien; ob das von Ihnen angewandte Verfahren auch unter Funkamateuren, die sich Freundschaft, Toleranz und Verständigung zum Ziel gesetzt haben, angebracht ist, darauf komme ich später noch zurück, denn –

Bei Eintreffen Ihres „Offenen Briefes“ war mir der bewußte Artikel in der QRV überhaupt noch nicht bekannt.

Werten Sie das, wie Sie wollen, aber so schlau ist der DL1CU auch, daß er sich den Verteiler solcher Pamphlete genau auswählt. Was meine Freunde und ich kannten, war lediglich ein Heft mit leeren Seiten und der Umschlagseite, welches während der Clubversammlung in Bingen unkontrolliert verteilt wurde. Mit Gelassenheit werteten wir dies als ein ihm eigenes Abreagieren auf das „Stuttgarter Diktat“ (so DL1CU), denn im § 2 des im Januar 1967 abgeschlossenen Vertrages steht:

DARC und Verlag verpflichten sich, weitere das Kurzwellenamateurwesen betreffende Zeitschriften nur im gegenseitigen Einverständnis herauszugeben.

Nach Kenntnis des Artikels, den ich erst für meine Freunde und nicht bei DL1CU anfordern mußte, und der – wie sich jetzt herausstellte – nur an einen kleinen Kreis im süddeutschen Raum verteilt wurde, muß ich als Vorsitzender des Clubs erklären:

Der Geschäftsführende Vorstand sieht in dem erschienenen Artikel ein unloyales Verhalten des Körner-Verlages dem Geschäftspartner DARC gegenüber. Der Justitiar des Clubs wurde beauftragt, ein Rechtsgutachten darüber zu erstellen, ob der Artikel gegebenenfalls Auswirkungen auf den Vertrag hat.

Wir haben dies DL1CU am 15.01.1968 mitgeteilt und ihn gleichzeitig um eine Stellungnahme gebeten.

Was also den Sachverhalt Ihrer Beschwerde betrifft, ist diese durchaus berechtigt. Als Funkamateur stellt man sich aber die Frage, ob es nicht einfacher gewesen wäre, dies durch eine Nachfrage bei mir oder der Geschäftsstelle zu klären.

Oder verfolgen Sie mit Ihrem „Offenen Brief“ einen anderen Zweck?

Die Tatsache nämlich, daß weder die Geschäftsstelle noch meine Freunde im Geschäftsführenden Vorstand zum Verteilerkreis Ihres „Offenen Briefes“ gehörten, führte zu zahlreichen Anfragen, da man mit dem von Ihnen angesprochenen Sachverhalt überhaupt nicht vertaut war. –

Bei der angeblichen „Schändung“ unseres DARC-Abzeichens bekommt Ihr Schreiben allerdings humorvolle Züge, denn in der vorübergehenden Benutzung eines anderen Emblems lag nun wirklich keine böse Absicht. Tatsache ist, daß das bisher verwendete Klischee verschlissen war und erst ein neues bestellt werden mußte. Da dies aber in der Druckerei verbummelt worden war, führte es bereits Ende 1967 zu einer Beschwerde unserer Redaktion.

Was mich betrübt, ist aber der Grundtenor Ihres Briefes. Der Leser merkt, daß hier etwas als Grund herangezogen wird, um ganz anderes zu erreichen. Ist es nicht ein wenig überheblich, wenn die Mitglieder eines Ortsverbandes ohne Kenntnis der wirklichen Zusammenhänge von einem „hilflosen“, „unbegabten“ und „in Not befindlichen Vorstand“ zu sprechen? Wollen Sie bei unseren Mitgliedern den Eindruck erwecken, daß der DARC von unqualifizierten Nichtskönnern geleitet wird? Im Interesse meiner Freunde, die seit Jahren mehr als ihre Pflicht zum Wohle unseres Clubs tun, muß ich solche Unterstellungen scharf zurückweisen. Als „Trottel“ (bei Ihnen sagt man – glaube ich – „Deppen“) lassen wir uns nämlich nicht verkaufen. Daß wir seit Jahren eine diplomatisch geschickte Clubpolitik treiben, hat den DARC nicht nur zu einem der größten Amateurfunkverbände in der Welt gemacht, sondern auch zu einem Verhältnis zu unserer Fernmeldebehörde geführt, welches in der Geschichte des deutschen Amateurfunks ohne Beispiel ist und von dem wir alle profitieren. Das ist nicht allein ein Verdienst der Ortsverbände. Ich bezweifle, ob man mit der Holzhammermethode so weit gekommen wäre. –

Dem mit der Geschichte unserer Zusammenarbeit mit dem Körner-Verlag nicht vertrauten Mitglied muß ich folgendes ins Gedächtnis rufen:

Die Zusammenlegung der nach dem Krieg erschienenen Zeitschriften CQ und QRV zum heutigen DL-QTC machte im Jahre 1950 erst die Bildung eines Gesamt-DARC möglich.

Der Preis dafür war ein Copyright, welches DARC und DL1CU je zur Hälfte besitzen. Daraus ergeben sich eine Menge rechtlicher Konsequenzen.

Bei meiner ersten Amtsübernahme als Clubvorsitzender im Jahre 1961 fanden meine Freunde und ich einen Vertrag mit DL1CU vor, der erst am Vorabend abgeschlossen war. Trotzdem begannen wir an einer Reform des Vertrages zu arbeiten und konnten nach Einholung von Vergleichsangeboten erstmals 1963 den Heftpreis senken und eine günstigere Beteiligung des DARC an der HAM-Börse erwirken. Der selbe Vorstand konnte 1964 DL1CU zur Aufgabe seines KW-Hörers bewegen und diesen ohne Mehrkosten dem DL-QTC einverleiben. Im Jahre 1966 hat der Vorstand erneut in enger Zusammenarbeit mit den Distrikten zu einer Reform des Vertrages gedrängt und konnte im Januar 1967 nach harten Verhandlungen den jetzt bestehenden Fünfjahresvertrag abschließen, der dem Club über die von Ihnen genannten Zahlen hinaus Vorteile verschafft. Da es dabei für DL1CU nur die Alternative „Annahme“ oder „Bruch“ gab, ist es menschlich durchaus verständlich, wenn er versuchte, sich ein Ventil zu schaffen.

Dagegen stimmt es nicht, daß

    Geheimabsprachen mit DL1CU bestehen,

    es „Tabus“ gibt, von denen sich der Vorstand fürchtet,

    der Amateurrat nicht ausreichend über die mit DL1CU geführten Verhandlungen informiert wurde,

    „Freundschaftsbanden“ Verhandlungen mit DL1CU beeinflussen oder „unerkennbare Fesseln“ den Vorstand in seiner Handlungsfreiheit behindern,

    sich der Vorstand von DL1CU nötigen läßt,

    es dem Vorstand gleichgültig ist, was mit dem Ansehen des Clubs geschieht.

Der Geschäftsführende Vorstand würdigt die Tatsache, daß sich der OV Ingolstadt an unseren gemeinsamen Sorgen um das Wohlergehen des Clubs beteiligt. Er verurteilt aber das von ihm angewandte Verfahren, welches eine gewisse Stimmungsmache durchblicken läßt.

Ich möchte nicht schließen, ohne Ihnen auch die für Sie in einem demokratisch aufgebauten Club gegebenen Wege aufzuzeigen, die sicherlich zu einem besseren Erfolg Ihrer Bemühungen führen könnten als dies mit dem Verschicken „Offener Briefe“ möglich ist.

1. Antrag des OV Ingolstadt über den Distrikt Bayern-Süd an die nächste Clubversammlung:

    „Der Amateurrat möge den Geschäftsführenden Vorstand beauftragen, den Vertrag mit dem Körner-Verlag vorzeitig zu kündigen.“

und

2. Ihr DV beschafft sich im Amateurrat die erforderliche Dreiviertelmehrheit, mit welcher der amtierende Vorstand abgelöst und durch einen besseren ersetzt wird. (GO IV a,3)

Beides, von Ihrem DV in der Clubversammlung temperamentvoll vorgetragen, wird sicherlich den gewünschten Erfolg haben.

Ihrem Ortsverband und seinen Mitgliedern wünsche ich ein erfolgreiches Arbeiten für den Amateurfunk.

VY 73, gez. H. Picolin, DL3NE


Abschrift und Archiv-Bearbeitung: DC7XJ


Inhalt 1968

Rundspruch-Archiv

OV-Rund 2/68