RUNDSPRUCH FÜR DIE DISTRIKTE BERLIN UND BRANDENBURG NR. 30/21 VOM 24.07.2021


ÜBERSICHT:


Marconis Strahltelegraphie

Ende Februar 1925 wurde in der Tagespresse berichtet, das es der Marconi Wireless Telegraph Co. gelangen sei, mit der britischen Regierung sowie den Regierungen von Indien, Australien, Kanada und Südafrika über den Bau von Stationen für gerichtete Wellentelegraphie nach dem Strahlsystem (beam-System) Marconis Verträge zu schließen. Die Örtlichkeiten für die englischen Stationen zum Verkehr nach Südafrika und Australien seien bereits gewählt und die kanadischen Stationen für den Verkehr nach England und Australien schon im Bau begriffen. Die drahtlose Kette um das Britische Reich gehe demnach ihrer Vollendung entgegen.

Diese Nachricht kündigt an, daß im Reich der Radiotechnik eine neue Entwicklungsstufe erreicht worden ist. Die gerichtete Wellen-Telegrapbie, ein alter Traum der Radioingenieure, ist aus der Laboratoriumswelt in die Praxis eingetreten. Auf welchem Wege dieser Erfolg erreicht worden ist, soll ein kurzer Rückblick auf Marconis Arbeit zeigen.

Wir können uns dabei auf einen Vortrag vor der "Royal Society of Arts" in London stützen, in dem der Erfinder vor einigen Monaten nähere Angaben über seine Versuche mit gerichteten Wellen machte. Er verwendete dabei parabolische Spiegel, ähnlich wie seiner Zeit Heinrich Hertz für seine grundlegenden Versuche benutzte. Hertz arbeitete mit Wellen von etwa 3 m Länge, die er in großen Parabolspiegeln aus Blech auffing. Marconi machte seine Versuche zuletzt mit Wellen von der Größenordnung 100 m, die Spiegelflächen von ganz erheblicher Ausdehnung bedingen. Da es kaum möglich ist, solche Spiegel aus Blech herzustellen, hat Marconi die zusammenhängende Metallfläche durch eine Anzahl parallel aufgehängter, in Form einer Parabel angeordneter Drähte ersetzt. Im Brennpunkt der Parabel wird die Sende-Antenne angeordnet, deren Energie infolge der Spiegelwirkung nur nach einer Richtung in einen ziemlich konzentrierten Bündel ausgestrahlt wird, ähnlich wie der Reflektor eines Scheinwerfers dessen Licht mit großer Energie nur in eine ganz bestimmte Richtung wirft.

Die ersten Versuche Marconis wurden während des Krieges mit Wellen von 3 m Länge angestellt, mit denen er bereits Entfernungen bis zu 30 km überbrücken konnte, trotzdem er damals noch mit einem Funkensender und Kristallempfängern arbeitete. 1919 wiederholte er die gleichen Versuche mit ungedämpften Wellen von 15 m Länge. wobei es ibm gelang, drahtlose Gespräche über eine Entfernung von etwa 150 km zu führen. Die Sende-Energie betrug 700 Watt. Wurde sowohl beim Sender wie beim Empfänger ein Spiegel verwendet, so war die empfangene Energie schätzungsweise zweihundertmal so groß wie ohne die Spiegel, also bei Wellentelepbonie in der üblichen Form.

Weitere erhebliche Fortschritte wurden im Jahre 1923 erzielt, bei Versuchen zwischen einem Kurzwellensender der englischen Großstation Poldhu und Marconis Yacht Elettra. Auf dem Schiff konnte kein Empfangsspiegel angebracht werden. Die schon außerordentlich günstigen Ergebnisse müssten also bei Verwendung eines Spiegels auch an der Empfangsantenne noch erheblich besser werden. Durch diese Versuche wurde vor allem einwandfrei festgestellt, das man auch bei Tage mit Wellen von der Größenordnung 100 m zuverlässig ganz erhebliche Reichweiten erzielen kann, was bis dahin bezweifelt worden war. Weiter zeigte sich, dass die Reichweite bei Nacht außerordentlich viel größer war, als man je erwartet hatte; Festland, das auf dem Wege der kurzen Wellen lag, stellte kein ernstliches Hindernis für ihre Ausbreitung dar. Die atmosphärischen Störungen waren bei Tag im Durchschnitt geringer, als bei den sonst üblichen Wellenlängen; auch bei Nacht trat eine Störung durch atmosphärische Geräusche selten ein, denn die Laufstärke der empfangenen Zeichen war so groß, das sie in der Regel alle Störgeräusche übertönte.

Die Antennenleistung des für diese Versuche verwendeten Poldhu-Senders betrug anfänglich 9 kW; die Empfangslautstärke war so groß, wie bei einer Sendestation üblicher Bauart von der zehnfachen Energie. Die Empfangsantenne hatte eine Höhe von 20 m und bestand nur aus einem senkrechten Draht. Der Empfänger enthielt einen Sekundärkreis und einen Überlagerungskreis zur Transformierung der Wellenlänge, sowie daran anschließend einen zweifachen Hochfrequenz-Verstärker mit Audion. Hinter die Audionröhre ließ sich noch ein zweistufiger Niederfrequenz-Verstärker schalten. Verwendete man in Poldhu den Spiegel, so war die empfangene Energie so groß, daß man bei Tag in St. Vincent, also auf mehr als 3000 km Entfernung, sogar mit verstimmter oder ganz abgeschalteter Antenne empfangen konnte. Um zu erproben, wie weit man mit der Sende-Energie herunter gehen könne, wurde die Antennenleistung so weit als möglich verringert. Bei einer Leistung von 1 kW waren die Zeichen in St. Vincent immer noch stärker als die Zeichen irgend einer anderen Großstation, und jedenfalls stärker, als es zur Unterhaltung eines normalen Telegramm-Verkehrs nötig gewesen wäre. Anscheinend hätte noch eine Sende-Energie von einem Zehntel Kilowatt genügend große Lautstärke hervorgebracht.

Im weiteren Verlauf der Versuche wurde die Sende-Energie von Poldhu auf 17 kW Antennen-Leistung erhöht, um auch mit Schiffen arbeiten zu können. Jetzt wurden die Zeichen bei Tage mit Sicherheit auf Entfernungen bis 2000 km über See empfangen und zwar ohne das man den Sende-Spiegel benutzte. Die gleichen Zeichen wurden vormittags von 5 bis 9 Uhr und abends von halb 7 bis halb 9 Uhr in Sydney (Australien) sehr gut empfangen. Anscheinend trafen die morgens empfangenen Wellen auf dem Wege über den Atlantischen und Stillen Ozean, die abends empfangenen Wellen auf dem kürzeren Ostweg in Australien ein. Der erste Weg ist etwa 18.000, der zweite etwa 13.000 km lang.

Im Mai 1924 gelang es dann zum ersten mal, von England nach Australien einwandfrei drahtlos zu telephonieren. Die Sendeenergie betrug 28 kW, wovon aber nur 18 kW auf den eigentlichen Sender entfielen, während 8 kW für die Überlagerung und 2 kW für die Steuerung verbraucht wurden. Spiegel wurden bei diesen Versuchen nicht verwendet. Benutzt man Spiegel, wie eas in den in Bau befindlichen Stationen geplant ist, so wird voraussichtlich trotz der großen Entfernung eine bedeutend geringer Energie zur sicheren drahtlosen Verbindung ausreichen. Ein weiterer Vorteil liegt darin, daß die erhebliche Richtkraft der Spiegel ein bedeutend dichteres Netz von Sende- und Empfangsstationen einzurichten gestattet, als es bei ungerichteten Sendern infolge der gegenseitigen Störung möglich ist.

Hanns Günther (W. DeHaas)
"Durch die weite Welt" Rascher und Cie. AG. Verlag, Zürich, 1925


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73 vom Rundspruch-Redakteur Martin, DL7ARY


Ende des RSBB 30/21 vom 24.07.2021

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