An die
Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation
Referat 125
Postfach 8001
53113 Bonn
Mitteilung Nr. 738/2000 im Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 24/2000 Seite 4217 Zweite Abfrage zu Powerline Communications; (PLC), (Kommunikation über Stromnetze).
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir gehen, so wie von Ihnen in der Zweiten Abfrage zu Powerline Communications
(PLC) erbeten, mit unserer Stellungnahme in den Anlagen auf Ihre Fragen bzw.
Themenbereiche ein.
Zunächst möchten wir aber mit folgenden grundsätzlichen Bemerkungen darauf hinweisen, dass wir erhebliche methodische Bedenken gegen ihre Entscheidungsfindung sehen und mit Ihrem Vorgehen aus unserer Sicht ein Grundstein gelegt wird, das bisherige Konzept zur Gewährleistung der Störungsfreiheit der Funkübertragungswege mit unübersehbaren Folgen zu verlassen.
Nicht zuletzt weisen wir darauf hin, dass die strittige NB 30 in der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung als Grundlage für die PLC-Systeme noch nicht in Kraft getreten ist. Grundsätzlich können die PLC-Betreiber daher weder von einer Überschreitung der Grenzwerte der NB 30 ausgehen noch von einem Einsatzzeitpunkt Anfang 2001 (siehe Ergebnisse der 1. PLC-Abfrage laut Mitteilung 738/2000). Auch die von Ihnen angesprochenen Verwaltungsgrundsätze Frequenznutzungen ersetzen die gesetzliche Grundlage nicht.
Mit Ihren Abfragen zu PLC verfolgen Sie die Zielsetzung, dem Begehren der potentiellen Betreiber von PLC-Systemen einerseits zu entsprechen und andererseits die schutzbedürftigen Interessen der Frequenznutzer im Freiraum zu wahren. Auf diese Weise wollen Sie sicherstellen, dass im Rahmen der Entscheidung der RegTP über die Einführung von PLC-Systemen ein Ausgleich der unterschiedlichen Interessen gewährleistet ist. Sie gehen dabei offensichtlich davon aus, dass die in der NB 30 vorgesehenen Grenzwerte für die Störfeldstärken in und längs von Leitern so gewählt sind, dass einerseits Frequenznutzungen im Freiraum nicht unangemessen gestört werden und andererseits neue Verfahren der Telekommunikation in und längs von Leitern nicht von vorneherein verhindert werden.
In der Tat stellt sich die Frage, worin schutzbedürftige Interessen einzelner Senderbetreiber bestehen und wie man feststellen kann, ob ein Funkdienst unangemessen gestört wird. Ihre zweite Abfrage hat also die Aufgabe, diese Fragen zu beantworten.
Der Amateurfunkdienst ist nicht mit einem Funkdienst vergleichbar, der unter den Bedingungen von Mindestsignalstärken arbeitet. Der Amateurfunkdienst ist ein Experimentalfunkdienst, dessen Existenzmöglichkeiten bereits dann nicht mehr gewährleistet sind, wenn Signale, wie sie die Grenzwerte der NB 30 zulassen, die wesentlich schwächeren Amateurfunksignale zudecken. Dies wird aber nach allen bisherigen technischen Berechnungen und Informationen bei einer Anwendung von PLC bundesweit was angestrebt wird der Fall sein. Wir verweisen auf unsere Anlage.
Der Amateurfunkdienst ist ein vom Gesetzgeber gewollter Funkdienst. Der Bundestag hat daher das Gesetz über den Amateurfunkdienst beschlossen. PLC wird aber diesen Funkdienst auf den Frequenzen bis 30 MHz unmöglich machen. Dem Wille des Bundestages, dass es Amateurfunkdienst in Deutschland geben soll, wird mit PLC entgegengewirkt. Das kann nicht gewollt sein, denn der Amateurfunkdienst steht voll unter dem Schutz des eigens für ihn geschaffenen Gesetzes. Wir sind daher der Ansicht, dass die schutzbedürftigen Interessen bereits durch das Gesetz gegeben und Einschränkungen in der Ausübung dessen was das Gesetz gewähren soll, nicht zulässig sind. Ein Kriterienkatalog, wie Sie ihn in ihrer Zweiten Abfrage aufstellen, und der auch Entscheidungen über graduelle Einschränkungen zulässt, die bei anderen Funkdiensten auch nur zu graduellen Einschränkungen führen, sind für diese hinnehmbar. Im Amateurfunkdienst führen diese für andere hinnehmbare Einschränkungen aber zu einem existentiellen Aus. Das Ausweichen auf eine Alternative ist nicht möglich, da Amateurfunkdienst durch nichts anderes ersetzt werden kann. Ihr Entscheidungsansatz lässt dies aber zu und führt daher zu unannehmbaren Ergebnissen.
Ihr Entscheidungsvorgehen würde PLC auf jeden Fall in einer wie auch immer noch festzulegenden Ausprägung zulassen. Gleichgültig welche Ausmaße diese Ausprägung haben würde, hätte dies zur Folge, die bisherigen Grundsätze der Funkstörnormung auf den Kopf zu stellen.
Mit der Zulassung einer derart starken Störstrahlung von Lichtleitungen wird der Sinn der Funkstörnormen wie CISPR 22 oder EN 55022 de facto auf den Kopf gestellt. Sie dienen nicht mehr dem Funkschutz, sondern lediglich der Übertragungssicherheit von PLC. Die Argumentierung für den Funkschutz ist in den Normungsgremien daher kaum noch aufrecht zu erhalten, da er de facto nicht mehr existiert. Die Industrie wittert eine Möglichkeit, preiswerter zu fertigen. Würde sie die bisher üblichen Funkschutzelemente weglassen, bräche auch PLC zusammen.
PLC ist eine flächendeckende Technologie, deren Wirkungen sich nicht nur darin erschöpfen den Amateurfunkdienst existentiell zu gefährden und Funkdienste mehr oder weniger zu stören. Wenn darüber hinaus von schutzbedürftigen Interessen die Rede ist, dann kann diesen Kriterien im Rahmen einer von Staats wegen zu treffenden Entscheidung nur dann genüge getan werden, wenn nicht nur die technischen, sondern auch sozialen, rechtlichen und volkswirtschaftlichen Folgen, die mit der Einführung von PLC verbunden sind, berücksichtigt werden. Hiervon ist jeder Funkdienst, also auch der Amateurfunkdienst, direkt und indirekt betroffen. In den Gesamtzusammenhang gestellt handelt es sich um folgende Gesichtspunkte. PLC verhindert oder behindert verschiedene Funkdienste und schränkt die Nutzung der weltweiten Ressource der Kurzwelle nicht nur national, sondern auch international ein. Diese Verhinderung oder Behinderung kann durch keine andere Technik bzw. keine anderen Übertragungswege auch nur annähernd kompensiert werden und verstößt gegen den Grundsatz der Besitzstandswahrung. Das gilt in jedem Fall für Funkamateure, die von der Genehmigungsbehörde zum Amateurfunk zugelassen sind und dadurch ein Recht zur Ausübung des Funkbetriebes erworben haben. Das gilt aber auch für Hörer der Kurzwellenrundfunksender, die empfindlich gestört werden dürften.
PLC verhindert bisherige Informationswege und verstößt damit gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung, weil PLC die bisherigen Informationswege weder qualitativ noch quantitativ ersetzen kann.
Der volkswirtschaftliche Produktivitätsbeitrag von PLC ist fraglich, weil andere und bessere Wege der Datenübermittlung mit höherer volkswirtschaftlicher Produktivität bereits existieren. Der Marktmechanismus, dem offensichtlich bislang völlig freien Lauf belassen wurde, führt hier eindeutig zu volkswirtschaftlich nicht verantwortbaren Ergebnissen. Daher ist staatlicherseits durch Vorgabe von geeigneten Rahmenbedingungen, wie in anderen Bereichen, in denen der Markt eine nicht vorteilhafte Entwicklung zeitigen würde, einzugreifen und die Wirkungen durch ordnungs- und ablaufpolitische Maßnahmen zu neutralisieren.
PLC wirft eine Fülle von Rechtsfragen auf, die nicht erst dann gelöst werden dürfen, wenn sich die Probleme zeigen. Dies würde zu einer nicht verantwortbaren Rechtsunsicherheit führen, die zu Lasten der Betroffenen gelöst wird. Damit werden auch zu Lasten der Betroffenen Verhältnisse geschaffen, die sich verfestigen und nicht mehr umkehrbar oder beseitigbar sind. Die tangierte Informationsfreiheit, die mangelnde Datensicherheit sowie die Störproblematik treffen nicht nur die Nutzer von Funkanwendungen, sondern auch den Endverbraucher/Kunden bzw. jeden Bürger. Der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen darf nicht auf die Zivil- und Verwaltungsgerichte verlagert werden.
PLC soll die Interessen von Anwendern befriedigen, deren Anliegen nicht drahtlose Kommunikation ist, sondern deren drahtgebundene Anwendung den gesamten Kurzwellenbereich (ungewollt) mit einem Störnebel überzieht. Das Fatale daran ist, dass es sich um eine unerwünschte, für die Anwendung nicht funktionswichtige Aussendung handelt. Mit einer Zulassung setzt sich die genehmigende Behörde der Gefahr aus, noch einmal bereits erfolgte Genehmigungen nachträglich kippen zu müssen, wie heute die Daueraussendungen im 70 cm ISM-Band. Die hier entstehenden Regressforderungen sind schon abzusehen.
Die oben unter den Nummern 1 bis 5 beschriebenen Zusammenhänge sind mit der PLC-Problematik verknüpft. Eine Entscheidung über PLC kann hiervon nicht losgelöst getroffen werden. Hier greift u. E. die gesamtstaatliche Verantwortung des BMWiT als staatliche Institution. Wenn die beschriebenen Zusammenhänge außen vor bleiben, ist die Entscheidungsgrundlage zu schmal angelegt, unvollständig und für evtl. Einzelfallentscheidungen der RegTP im Frequenznutzungsplan oder der Einzellizenzen angreifbar. Bei der gegenseitigen Abwägung der Interessen sehen wir auch das grundsätzliche Problem der Gewichtung und Vergleichbarkeit. Die Funkamateure können entweder funken oder sie können nicht funken. Die Funkamateure können nicht ausweichen auf etwas anderes, so z. B. auf Übermittlung per Draht oder sonst irgend etwas. Der Amateurfunkdienst ist damit schlichtweg tot, wenn er seine Frequenzen nicht mehr nutzen kann. Anders bei den Anbietern von PLC, die dies in der Regel als weiteres Umsatzfeld ansehen und hier versuchen, ihre Aktivitäten zu diversifizieren, um bei wachsender Konkurrenz auf dem Strommarkt auch künftig Gewinne zu machen. Wird PLC verwehrt oder beeinträchtigt, dann ist deren Existenz nicht gefährdet, sondern sie sind in einem Bereich weniger effektiv und können auf Alternativen ausweichen. Hier sind Kriterien anzulegen, welche diesen Umstand bei der Abwägung der Interessen mit berücksichtigen.
Wir können daher nicht erkennen, wie Sie auf Grund der Erhebungen in der zweiten PLC-Abfrage die von Ihrer Behörde selbst gestellten komplexen Entscheidungsaufgaben lösen will, wenn offensichtliche Zusammenhänge und die zu ihrer Bewertung notwendigen Informationen außen vor bleiben, weil sie in der Abfrage nur teilweise angefordert werden.
Weder sind die Behinderungen der Kurzwelle und deren Auswirkungen in der Abfrage vollständig erfasst, noch werden Informationen zum Ausmaß der Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung abgefragt. Ebenso ist nicht erkennbar, wie die volkswirtschaftlichen Nutzen- und Kostenänderungen berücksichtigt werden sollen oder Rechtsprobleme z. B. wegen der Inanspruchnahme privater Grundstücke oder aus dem Bereich der elektromagnetischen Verträglichkeit gelöst werden sollen. Wir schlagen Ihnen daher vor, bei einer solchen komplexen Entscheidungsaufgabe die Methode der Nutzen-Kosten-Rechnung anzuwenden, wie sie sich z. B. bei anderen Entscheidungen über Infrastruktureinrichtungen (z. B. Bundesverkehrswegeplanung) seit Jahrzehnten bewährt hat.
Wir kommen daher zu dem Ergebnis, dass mit einer wie auch immer vorgesehenen Ausprägung einer Einführung von PLC der Amateurfunkdienst im Kurzwellenbereich zerstört wird, Ihr Kriterienkatalog entscheidungsrelevante Vorgänge nicht berücksichtigt und Entwicklungen zulässt, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können und mit Nachteilen verbunden sind, welche mit der Interessenwahrung der PLC-Betreiber weder aufrechenbar noch vergleichbar sind. Schließlich können sich die PLC-Betreiber anderer Techniken bedienen, die besser und zukunftsweisender sind, während die von den PLC-Folgen Betroffenen entweder gar keine Ausweichmöglichkeiten haben wie der Amateurfunkdienst oder keine solchen, die auch nur annähernde Alternativen darstellen. Die Einführung von PLC ist insgesamt abzulehnen. Soweit ein Ausgleich der Interessen lediglich bezogen auf die technischen Interessen des Amateurfunkdienstes zu definieren wäre, kommt nur eine Absenkung der PLC-Grenzwerte in Frage, die den Amateurfunk frei von Störungen hält, ggf. in Verbindung mit einem strikten, hochwirksamen Ausnehmen der Amateurfunkkurzwellenfrequenzen in Betracht.
Mit freundlichen Grüßen
K. E. Vögele
Anlagen (PDF, 32 KB)
Archiv-Bearbeitung: DC7XJ
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