DARC e. V. Vorstandsinformationen vom 15.10.1998

Thema: Stellungnahme des DARC e. V. zur Datenkommunikation auf Fernmelde- und Netzleitungen


Vor der Inbetriebnahme dieser neuen Techniken kann eine Stellungnahme verständlicherweise nicht so fundiert ausfallen wie zur Vfg 73/1998 über das Kabelfernsehen. Die Beurteilung des DARC basiert daher zunächst auf bereits bekannt gewordene technische Einzelheiten sowie auf ersten Berichten von Pilotprojekten. Nichts desto trotz sind hier auch noch andere gesellschaftspolitische Belange zu beachten. Der Amateurfunkdienst ist existentiell bedroht. Da der Amateurfunk aber unter dem Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Informationsfreiheit fällt, ist eine Abhilfe dringend notwendig.

Grundsätzlich ist der DARC, ausgehend von den Erfahrungen mit dem Kabelfernsehen, zu der Auffassung gelangt, daß auf der Basis von Kupferkabeln eine parallele Nutzung terrestrischer Frequenzen in Kabeln immer zu Kompatibilitätsproblemen führen wird. Das ist beim Kabelfernsehen der Fall, das immerhin hochwertige Koaxialkabel verwendet, und das würde bei der Mitbenutzung von Fernmelde- und Netzkabeln noch erheblich deutlicher in Erscheinung treten und eindeutig zu Lasten der Nutzer des Funkspektrums gehen.

ADSL und VDSL, allgemein xDSL

Mit modernen digitalen Übertragungsverfahren wie „Asymmetric Digital Subscriber Line“ und „Very high density Digital Subscriber Line“ stehen Techniken bereit, mit denen herkömmliche verdrillte Kupferaderpaare, ursprünglich für reine Fernsprech- und Fernschreibdienste konzipiert, über begrenzte Entfernungen auch für die schnelle Datenkommunikation genutzt werden können. Die Funktionsfähigkeit dieser Technik wurde in Pilotversuchen bereits demonstriert. Die Spektren dieser Verfahren sollen bei ADSL bis 8 MHz und bei VDSL bis 30 MHz reichen.

Immunität

Prof. Dr.-Ing. Martin Pollakowski kommt in seiner Ausarbeitung in der telekompraxis 5/1998 zu dem Schluß, daß die Symmetrie verdrillter Telekom-Kabel und damit auch deren Immunität genügend hoch ist, so daß Störungen des xDSL-Betriebes durch Amateurfunkstellen in Wohngebieten nicht zu befürchten sind. Bei den Pegeln der Kabelfernsehtechnik ist diese Immunität gegenüber Amateurfunksendern nicht gegeben. Da die Schirmdämpfung verdrillter symmetrischer Kabel auf jeden Fall geringer sein dürfte als die des beim Kabelfernsehen verwendeten hochwertigen Koaxialkabels, bleibt umgedreht nur der Schluß, daß bei xDSL die Immunität vor allem über einen wesentlich höheren Betriebspegel erreicht wird (und bis zu einem gewissen Grade auch durch die höhere Resistenz digitaler Übertragungsverfahren).

Störstrahlung

Das Thema Störstrahlung wird in der Arbeit von Prof. Pollakowski mit keinem Wort erwähnt. Infolge des höheren Betriebspegels muß zwangsläufig auch die Störstrahlung eines mit xDSL betriebenen verdrillten Kabels erheblich höher sein als die einer Fernsehkabelverteilanlage. In diese Richtung haben die künftigen Betreiber von xDSL auch durch die Erhöhung der zulässigen Störstrahlung um 10 dB im Frequenzbereich von 6–30 MHz in der neuen Norm EN55022:1998 entsprechend vorgebaut.

Über Pegel und maximale spektrale Dichte von schnellen Datendiensten auf Fernmeldeleitungen kursieren unterschiedliche Angaben. Unter Zugrundelegung der einem ETSI-Dokument entnommenen Werte für Finnland (Gesamtleistung +20 dBm (100 mW) im Frequenzbereich 4–30 MHz, maximale spektrale Dichte –54 dBm/Hz) ergäbe sich folgendes Bild:

In einem Sprachkanal von 3 kHz Breite betrüge die Leistung maximal etwa 1 mW. Bei 30 dB Symmetriedämpfung (meist werden nur 20 dB angesetzt) würden noch 1 µW abgestrahlt und ergäben in 10 m Entfernung eine Feldstärke von 55 dB (µV/m). Das läge deutlich über der Mindestfeldstärke für Kurzwellenrundfunksender von 40 dB (µV/m). Die durchaus noch empfangswürdigen Amateurfunksignale liegen aber um 30–40 dB niedriger. Da innerhalb der Bandbreite von 3 kHz in diesem Beispiel nur 1/100 der eingespeisten Gesamtleistung zur Geltung kommen, ist abzusehen, daß bei diesem Betrieb je nach der Intensität des Datenflusses der Funkempfang in einem spürbaren Teil des Kurzwellenspektrums lahmgelegt werden kann. Eine andere Quelle spricht bei VDSL im Frequenzbereich 0,3–30 MHz von einer maximalen spektralen Leistungsdichte von –60 dBm/Hz. Die resultierenden Feldstärken wären dann zwar 16 dB geringer, aber für den Amateurfunk ebenso untragbar.

Bei den ersten Pilotversuchen im Raum Münster soll in 20–30 m Entfernung von mit ADSL beaufschlagten Telefonleitungen kein Kurzwellen-Rundfunkempfang mehr möglich gewesen sei. Diese Meldung würde mit den hier errechneten Werten genügend übereinstimmen.

Bei ETSI wurde im Komitee ERM-EMC auch berichtet, daß eine gute Symmetrie als Voraussetzung für eine niedrige Störstrahlung vom einwandfreien Abschluß der Leitung durch die Endgeräte abhängig sei. Bei neuen, für ADSL gebauten Geräten sei dieser sicher in Ordnung. Aber ältere Geräte würden derart hohe Frequenzen gar nicht nutzen, und deshalb seien auch ihre Eingangswiderstände für ADSL nicht definiert.

Dazu kommt ein weiterer Unterschied: An normalen Telefonleitungen sind unseres Wissens ältere und Nicht-xDSL-Geräte für einen Abschluß vom 600 Ohm ausgelegt. Bei höheren Datenraten werden verdrillte Leitungen aber mit einem Abschluß von 100–120 Ohm betrieben. Um nun alle Fernmeldeleitungen für xDSL richtig abzuschließen, müßte der Abschluß für Nicht-xDSL-Geräte eigentlich aus einem symmetrischen Weichenfilter bestehen, das für hohe Frequenzen einen Abschluß von 100–120 Ohm anbietet und tiefe Frequenzen für die übrigen Geräte hindurchläßt, die die Leitung dann ihrerseits mit 600 Ohm abschließen. Ob diese Feinheiten aber wirklich alle nachgerüstet werden, um die Störstrahlung der mit xDSL beaufschlagten Leitungen niedrig zu halten, ist eine Aufwandsfrage. xDSL soll ja eine preiswerte Lösung sein, sagt die Werbung.

Auf jeden Fall sieht der DARC den von der Telekom angekündigten Feldversuchen mit ADSL in mehreren deutschen Großstädten mit sehr gemischten Erwartungen entgegen, und unsere Mitglieder sind aufgefordert, darüber eingehend zu berichten und gegebenenfalls auch eine Störmeldung an die RegTP zu senden.

Power Line Communication

Auch für die schnelle Datenkommunikation über begrenzte Entfernungen auf Netzleitungen stehen erste Verfahren zur Verfügung. Die Technik dafür ist noch nicht einheitlich, aber auch hier wurde ihre Funktionsfähigkeit bereits in Pilotversuchen unter Beweis gestellt.

Da normale Netzleitungen nicht verdrillt sind und auch nicht erdsymmetrisch betrieben werden, gilt die eingangs gemachte Feststellung über Kupferkabel hier um so mehr, daß Kompatibilitätsprobleme mit terrestrischen Funkdiensten zu erwarten sind, wenn das gleiche Frequenzspektrum auch auf diesen Leitungen transportiert wird.

Störstrahlung

Zur Technik der schnellen Datenübertragung auf Netzleitungen tauchte bei ETSI ein Normenvorschlag der auf diesem Gebiet tätigen Firma NOR.WEB auf, der auf der internationalen Norm IEC 61000-3-8 aufbaut. Ein erstes Studium dieses Normenvorschlages läßt Zweifel an seiner Seriosität aufkommen. So werden im Frequenzbereich 148,5 kHz bis 525 kHz Nutzpegel von 66 dB (µV) abfallend auf 56 dB (µV) genannt. In etwa die gleichen Pegel sind von 0,15 MHz bis 30 MHz auch für Störspannungen auf diesen Netzleitungen zugelassen. Damit wäre PLC ein System mit einem Verhältnis von Nutz- zu Störsignal von etwa 1:1 (im Vergleich dazu erscheint der in den Unterlagen der RegTP zum FUNKSCHAU-Symposium über PLC genannte Pegel von +126 dBµV oder 2 V schon realistischer).

Im Bereich von 1 MHz bis 20 MHz wird in dem Papier von NOR.WEB eine Nutzleistung von 500 µW in einem 10-kHz-Band angegeben oder (was dasselbe bedeutet) eine spektrale Dichte von –43 dBm/Hz „außerhalb geschützter Bänder“, was immer dieser Begriff bedeuten mag. Diese spektrale Dichte wäre zwar um 9 dB niedriger als der von Finnland (für symmetrische Fernmeldekabel) genannte vorläufige Wert von maximal –34 dBm/Hz, aber dafür kann man bei Netzleitungen praktisch keine zusätzliche Symmetrie- oder Schirmdämpfung ansetzen.

In einem Sprachkanal von 3 kHz Breite entspräche das einer Leistung von etwa 110 µW. Das ergäbe in 10 m Entfernung immer noch eine Feldstärke von etwa 75 dB(µV/m). Nur die am stärksten einfallenden Rundfunksender wären bei dieser Störfeldstärke (festgelegte Mindestfeldstärke 40 dB (µV/m) wohl noch einwandfrei aufzunehmen.

Nach ersten Berichten des britischen Amateurfunkverbandes RSGB (Radio Society of Great Britain) wurden bei einem Versuchsbetrieb der Fa. NOR.WEB Störfeldstärken bis zu 57 dB(µV/m) gemessen. Auch die Straßenlaternen im Versuchsbezirk wurden als Störstrahler identifiziert. Die Versuche wurden daraufhin erst einmal abgebrochen.

Aufgrund der zu erwartenden EMV-Probleme bemängeln Techniker die fehlende Offenheit der PLC-Betreiber bezüglich der geplanten Betriebsparameter. Zum anderen regt sich bei den Geräteherstellern ein erster Widerspruch, weshalb sie künftig noch auf Leitungen die niedrigen Störspannungen der Norm EN55022 einhalten sollen, wenn die Stromversorger selbst das Netz mit Kommunikationssignalen bewußt verunreinigen wollen.

Immunität

Bezüglich der Immunität scheint es bei PLC nicht so günstig zu stehen wie bei xDSL. Angaben der Betreiber sind uns nicht bekannt. Nach den Berichten der RSGB konnte der Versuchsbetrieb der Fa. NOR.WEB durch Abstrahlen von 3 W von einem Dipol in 10 m Entfernung blockiert werden. Hier macht sich die fehlende Symmetriedämpfung von Netzleitungen ebenfalls nachteilig bemerkbar.

Schlußfolgerungen

Die bisherigen Erkenntnisse zu xDSL und PLC lassen befürchten, daß bei flächendeckender Nutzung dieser Übertragungstechniken der Störpegel in Ortschaften jeder Größe dermaßen ansteigt, daß die Frequenzen unterhalb von 30 MHz für die drahtlose Nachrichtenübermittlung nicht mehr zu benutzen sind. Außerdem wären die bisherigen Grenzwerte für die Funkentstörung auf Leitungen sinnlos; an ihnen wären mehr die Betreiber von xDSL und PLC interessiert. Das Problem der Immunität von Geräten für xDSL und PLC würde dabei völlig in den Hintergrund treten: Für den Funkamateur hätte es keinen Sinn mehr zu senden, wenn er außer Störungen nichts Sinnvolles mehr empfangen könnte. Unter diesen Bedingungen wäre ein Funkbetrieb mit den Mitteln des Amateurfunks nur noch portabel oder mobil außerhalb von Ortschaften und in respektvoller Entfernung von Netz- und Fernmeldeleitungen vorstellbar.

Studiert man die Werbung für xDSL und PLC über die geschwindigkeitshungrigen Internet-Surfer und ihre mit den Leistungen der Computer steigenden Wünsche, so könnte man allerdings auch zu dem Schluß kommen, daß Bandbreite und Datenrate von xDSL und PLC in absehbarer Zeit schon nicht mehr ausreichen werden. Dann kämen wohl nur Internetzugänge über eine Funkanbindung im GHz-Bereich in Frage, mit denen sich die Normung bereits befaßt. Dieser zukunftssichernden Alternative würden wir eindeutig den Vorzug geben.


Diese Vorstandsinformation wurde erstellt von Hans-Joachim Brandt, DJ1ZB, unter Mitwirkung von Frau Volmer.

VY 73 de Jochen Hindrichs, DL9KCX


Ende der Vorstandsinfo vom 15.10.1998

Archiv-Bearbeitung: DC7XJ

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