SONDER-RUNDSPRUCH NR. 1/97 VOM 04.05.1997


Liebe XYLs, YLs und OM,
hier ist DAØRC, am Mikrofon DL9MH. Ich begrüße Sie zum 1. Sonder-Rundspruch in diesem Jahr. Der Rundspruch wird von mir auf zwei Frequenzen abgestrahlt: Hier auf ca. 3698 kHz in SSB, sowie auf 433,825 MHz in FM. Er wird bei Bedarf von DK4EI live übernommen und auf ca. 7090 kHz SSB umgesetzt. Die Übernahme und Verbreitung auf weiteren Frequenzen ist erwünscht, der Inhalt dieses Rundspruchs wird in Packet-Radio veröffentlicht.


Ich möchte Ihnen heute


Das erste Thema:

Seit unserem letzten Sonder-Rundspruch vor einem guten halben Jahr hat das neue, unter der Bezeichnung „AFuG 1997“ laufende Gesetz über den Amateurfunk fast alle Stationen eines Gesetzgebungsverfahrens durchlaufen. Der Deutsche Bundestag hat es in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Es geht jetzt, voraussichtlich am 16.05., noch einmal in den Bundesrat. Dessen Ausschuß für Verkehr und Post hat bereits einstimmig die Annahme empfohlen. Danach steht die Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und die unmittelbar danach erfolgende Verkündung an. Unsere, der Funkamateure Arbeit zu diesem Gesetz ist also nach vier Jahren beendet.

Lassen Sie uns noch einmal zurückschauen: Am Anfang stand in den Jahren 1993/94 die hitzige Diskussion unter den Funkamateuren darüber, ob überhaupt eine Gesetzesänderung notwendig sei, ob wir das „zulassen“ sollten. Von der Politik wurde daraufhin in Frage gestellt, ob es überhaupt gerechtfertigt sei, sich für die paar Funkamateure den Luxus eines eigenen Gesetzes zu leisten. Es war bereits ein Erfolg für uns zu erreichen, daß wir ein eigenes Gesetz behalten. Dann erschien 1995 der „Diskussionsentwurf“ des AFuG. Den haben wir mit großem Aufwand an Zeit, Fachkompetenz und auch Geld eingehend kommentiert.

1996 erschien der „Regierungsentwurf“. Viele unserer Anregungen waren eingeflossen, trotzdem hielten wir Ergänzungen und Klarstellungen für erforderlich. Obwohl das BMPT seinen Entwurf als abgestimmt und nicht mehr ergänzungsbedürftig ansah, konnten wir eine nicht öffentliche Anhörung im Bundestagsausschuß für Post und Telekommunikation erreichen. Dort gelang es uns, die uns am wichtigsten erscheinenden Änderungen und Ergänzungen den Vertretern der Politik so verständlich zu machen, daß sie in das Gesetz aufgenommen worden sind.

Der DARC hat Sie, liebe Zuhörer, über den Fortgang unserer Arbeit laufend unterrichtet. Der Wortlaut des Gesetzes ist in Packet-Radio veröffentlicht. Wir brauchen uns hier also über Einzelheiten nicht unterhalten. Wenn Sie einzelne Fragen dazu haben, so können Sie Sich nach diesem Rundspruch melden.

Ich möchte hier einmal eine Wertung dieses neuen Gesetzes wagen, in das wir vier Jahre lang einen großen Teil unserer Arbeit investiert haben:

Allen Unkenrufen und anderslautenden Behauptungen zum Trotz sind unsere grundsätzlichen Rechte und Möglichkeiten, den Amateurfunk zu betreiben, erhalten geblieben. Mehr noch, viele Passagen des neuen Gesetzes sind für uns günstiger formuliert als dies im bisherigen Gesetz der Fall ist. Größere Einschränkungen gibt es in Bereichen, in denen sie auch ohne neues Gesetz, und möglicherweise dann viel drastischer, erforderlich und möglich gewesen wären.

Dies letztere betrifft zum Beispiel und ganz besonders das deutlich größer gewordene Gewicht der Bereiche der elektromagnetischen Verträglichkeit von Geräten und des Schutzes von Personen in elektromagnetischen Feldern. In einer Welt mit immer größer werdender Dichte von Anwendungen elektrischer und elektronischer Geräte wachsen ganz natürlich die Konfliktmöglichkeiten beim Betrieb solcher Geräte. Die daraus erwachsenden Belastungen müssen in der Allgemeinheit von allen getragen werden und kein vernünftig denkender Mensch kann als Funkamateur ernsthaft fordern, daß er, der Funkamateur, davon ausgenommen wird. Wer so etwas fordert und deshalb behauptet, das neue AFuG sei eine für die Funkamateure unakzeptable Regelung, der kann nicht erwarten, daß er ernst genommen wird.

Oder nehmen wir den Schutz von Personen in elektromagnetischen Feldern: Wir Funkamateure sind uns einig darin, und auch die Mehrheit der Politiker sieht das so, daß die Elektrosmog-Diskussion auf keinerlei wissenschaftlich haltbaren Beweisen aufbaut. Aber die Diskussion ist nun einmal da, sie ist politisch relevant und Politik und Verwaltung sind verpflichtet, ihre Bürger vor möglichen Gefahren zu bewahren. Und so lange Schäden durch Elektrosmog nicht wissenschaftlich ausgeschlossen sind, müssen eben Schutzmaßnahmen erlassen werden, auch dann, wenn vielleicht derjenige, der diese Schutzmaßnahmen erläßt, sie selbst für unsinnig halten sollte. Jede feste Funkanlage mit mehr als 10 W ERP bedarf in Deutschland zu ihrer Errichtung einer Standortbescheinigung des BAPT. Einzige Ausnahme: Amateurfunkstellen, die dürfen sich selbst bescheinigen. Und will da noch jemand ernsthaft aufstehen und behaupten, das neue AFuG bringe für die Funkamateure unakzeptable Einschränkungen?

Liebe Zuhörer, das Amateurfunkgesetz 1997, das jetzt kurz vor seiner Verkündung steht, ist wie sein Vorgänger, das Amateurfunkgesetz von 1949, die beste nationale Regelung für Funkamateure in Europa. Und weil sie auch die modernste ist, weil sie bereits überwiegend von Gedankengut der europäischen Union getragen ist, wird sie Vorbildfunktion in der EU haben. Wir erhalten ein gutes Gesetz, das wir in partnerschaftlicher Weise mit Politik und Verwaltung mitgestalten konnten. Diese Partnerschaftlichkeit sollten wir anerkennen. Sie wird uns auch weiterhelfen, wenn es bei der Diskussion der Einzelheiten in den Durchführungsverordnungen noch einmal „ins Eingemachte“ geht.


Und nun zu meinem zweiten Thema:

Ich möchte diesen zweiten Teil mit einem Zitat aus der Begründung zum AFuG 1997 beginnen:

„Die starke Ausrichtung des experimentellen Amateurfunks auf technische Studien und den Selbstbau von Amateurfunkstellen rechtfertigen weiterhin ein eigenständiges Gesetz, das diesen Besonderheiten am besten gerecht wird.“

Dieser Satz berührt einen Kernbereich von enormer Wichtigkeit für die Zukunft des Amateurfunks. Er sagt nämlich klar und ohne Schnörkel, welche Voraussetzungen wir Funkamateure nach Ansicht von Politik und Behörden erfüllen müssen, wenn wir auch in Zukunft unseren besonderen Status im Konzert der Telekommunikationsdienste behalten wollen: Man erwartet von uns, daß wir durch eigene Aus- und Weiterbildung und durch technisch-experimentelle Tätigkeit unsere besondere Fachkompetenz bewahren und weiterentwickeln.

Um diese Haltung zu verstehen, muß man sich in die Denkwelt unserer Abgeordneten und der Regierung versetzen. Frequenzen entwickeln sich zu einem immer wertvoller werdenden Wirtschaftsgut, das zu horrenden Preisen an Interessenten aus der Wirtschaft meistbietend vergeben wird. Es ist ganz natürlich, daß diese Interessenten aus der Wirtschaft auch nach den Frequenzen schielen, die ihrer Ansicht nach wenig nutzbringend an die Funkamateure vergeben sind. Entsprechend drängend sind die Fragen, denen sich Regierung und Politiker immer wieder stellen müssen. Unsere Antwort auf solche Fragen lautet: „Amateurfunk fördert technisches Fachwissen, und zwar durch eigene Aus- und Weiterbildung der Funkamateure. Das kostet unsere Volkswirtschaft keinen Pfennig, stellt aber in einem Land, das von Hochtechnologie leben muß, einen erheblichen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland dar“.

Diese Argumentation wird von der Öffentlichkeit verstanden und auch anerkannt. Sie, liebe Funkamateure, müssen aber wissen: Wir können so nur argumentieren, wenn unsere Aussagen auch in der Praxis belegbar sind. Wir müssen also nicht nur sagen, daß wir uns technisch-experimentell betätigen und weiterbilden, wir müssen das auch tun. Es ist für den Amateurfunk überlebenswichtig, daß wir das tun!

Diesen zweiten Teil meines Rundspruches wollte ich einigen Überlegungen zur Zukunft des DARC widmen, und für diese Zukunft sind die eben getroffenen Feststellungen die Grundlage. Zukünftige Aktivitäten des DARC müssen in letzter Konsequenz dem Ziel dienen, den Charakter des Amateurfunks als technisch-experimenteller Funkdienst zu erhalten.

Die Führung des DARC war in den vergangenen vier Jahren über Gebühr stark damit beschäftigt, sich dem unmittelbaren Problem „neues Amateurfunkgesetz“ zu stellen. Dem wird sich die Diskussion um die zugehörige Durchführungsverordnung anschließen, die voraussichtlich noch in diesem Jahr abzuschließen sein wird. Es war und ist unvermeidlich, daß dieser Schwerpunkt gesetzt wurde. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen oder gar vergessen lassen, daß es Renovierungsbedarf auch innerhalb des Clubs gibt. Dem muß man sich nun widmen.

Nicht daß es so wäre, daß gar nichts geschehen ist. Wir haben die Organisation der Geschäftsstelle verbessert und rationalisiert, wir haben den Service verbessert, wir haben die Redaktion der CQ DL gestärkt, wir haben den Club wirtschaftlich gestärkt, wir informieren besser als vor vier Jahren, die Arbeit des Vorstands ist transparenter als früher, wir machen eine gezieltere Öffentlichkeitsarbeit. Alles Maßnahmen, die man im weitesten Sinne dem Komplex „Service durch den Club“ zuordnen kann. Aber: Da ist noch etwas offen. Nichts hat sich verändert in der eigentlichen Cluborganisation. Die Zuschriften aufgrund der Umfrage des AR in der CQ DL zeigen deutlich, daß hier Verbesserungen von den Mitgliedern erwartet werden.

Ungenügender horizontaler und vertikaler Informationsfluß, Orientierungsmängel, Probleme in den Ortsverbänden und im Selbstverständnis des Amateurrats, ungenügende Beteiligung der Mitglieder, insbesondere der Jugendlichen, an der Entscheidungsfindung, - solche Stichworte mögen das Feld umreißen. Der DARC, sein Vorstand und sein Amateurrat müssen sich diesen Fragen widmen, sobald, wie absehbar, der äußere Druck durch die Beschäftigung mit Gesetzesfragen nachläßt. Sie würden, liebe Zuhörer, jetzt sicher gerne von mir hören, WIE das aussehen könnte. Haben Sie bitte Geduld: Zwar habe ich als Vorsitzender Vorstellungen über das, was verbessert werden könnte, und zum Teil auch wie und warum. Aber drei Wochen vor einer Neuwahl des DARC-Vorstands, ohne jede vorherige Abstimmung kann und will ich solche Vorstellungen nicht zur Diskussion stellen. Das würde außerdem auch die Arbeit des AR-Arbeitskreises „DARC Zukunft“ beeinflussen, was ich derzeit nicht für wünschenswert halte. Aber Sie sollten wissen, daß ich diese Aufgaben sehe und wie wichtig ich sie einstufe.


Zum Ende des heutigen Rundspruchs darf ich zusammenfassen:

  1. Das Amateurfunkgesetz 1997 wird in Kürze verabschiedet werden. Es ist, gemessen an der Gesamtsituation in der Telekommunikation, für uns nicht schlecht ausgefallen, auch wenn noch ein paar Wünsche offen geblieben sind. Wir haben viel gearbeitet und viel, wenn auch nicht alles erreicht.
  2. Die weitere Entwicklung des Amateurfunks in Deutschland wird maßgeblich davon abhängen, in wie weit es ihm gelingt, ein aktiver, experimenteller Funkdienst mit lebendiger, eigener Aus- und Weiterbildung zu bleiben.
  3. Der DARC muß seine innere Struktur optimieren, vielleicht sind dazu Änderungen in Organisation und Satzung erforderlich. Auf seine Führung kommen damit in den nächsten Jahren schwierige Aufgaben zu, welche nur unter Verzicht auf Macht- und Statusdenken möglich sein werden.

Liebe XYLs, YLs und OM, das war’s für heute. Ich danke Ihnen fürs zuhören und wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

DL9MH


Ende des Sonder-RS Nr. 1/97 vom 04.05.1997

Archiv-Bearbeitung: DC7XJ

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