SONDER-RUNDSPRUCH NR. 3/94 VOM 02.10.1994


Liebe XYLs, YLs und OM,
hier ist DL9MH. Ich begrüße Sie als Hörer dieses Sonder-Rundspruchs des DARC-Vorstandes. Der Rundspruch wird von mir wie üblich auf den Frequenzen 3770 kHz in SSB, sowie auf 145,150 MHz in FM abgestrahlt. Er wird von DK4EI live übernommen und auf ca. 7090 kHz in SSB übertragen. Die Übernahme und Verbreitung auf weiteren Frequenzen ist ausdrücklich erwünscht. Der Inhalt dieses Rundspruchs wird auch in Packet-Radio veröffentlicht. Nach der Sendung stehen neben mir auch Kollegen aus dem Vorstand und aus den Referaten des DARC für die Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung.

Leider ist es mir noch immer nicht gelungen, die Zeit für eine Reparatur meiner beschädigten Antennen aufzubringen. Ich hoffe jedoch, daß Sie dennoch einen ausreichenden Empfang haben werden.

Noch ein paar Bemerkungen, bevor wir zur Sache kommen:

Seit dem letzten Rundspruch dieser Art ist eine gute Weile vergangen und ich bin wiederholt darauf angesprochen worden, ob es denn nichts Neues gäbe. Das gibt es natürlich immer. Die Frage ist nur, ob es von solchem Interesse ist, daß man dafür einen Sonder-Rundspruch braucht. Und solche Anlässe hat es eben nicht gegeben. Die Sonder-Rundsprüche werden weiterhin nur aus besonderen Anlässen, und damit in unregelmäßigen Zeitabständen erscheinen.


Zu den heutigen Themen. Ich möchte heute

Gestern, am 01.10.1994, hat es eine Sitzung des RTA gegeben, die erste seit der Gründungsversammlung im Juni 1994. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Verabschiedung der Geschäftsordnung des RTA und die Aufnahme weiterer Vereinigungen als Mitglieder in den RTA. Des weiteren war eine Aussprache über Fragen im Zusammenhang mit in Zukunft wohl auf uns zukommenden Aktivitäten des BMPT und des Selbstverständnisses des RTA und seiner Mitglieder angesagt.

Die Geschäftsordnung wurde in der auf der Gründungssitzung beratenen und modifizierten Form verabschiedet.

Drei Amateurfunkvereinigungen hatten zu dieser Sitzung ihre Aufnahme in den RTA beantragt, und zwar der VFDB, die AMPACK und die A.G.F.A. Es muß angemerkt werden, daß der VFDB eigentlich bereits bei der Gründung des RTA dabei sein wollte und sich auch entsprechend geäußert und legitimiert hatte, dann aber aus nicht vorhersehbaren Gründen keinen Vertreter schicken konnte und so nicht Gründungsmitglied des RTA wurde.

Der VFDB wurde nach kurzer Diskussion als Mitglied in den RTA aufgenommen. Bei der AMPACK hatte es sich nach dem Vorstandswechsel ergeben, daß der neue Vorstand über seinen offiziellen Aufnahmeantrag in den RTA noch einmal beschließen wollte. Die AMPACK konnte bei dieser Sachlage nicht in den RTA aufgenommen werden. Ihr dennoch angereister Vertreter nahm jedoch angesichts dieser besonderen Sachlage ohne Stimmrecht als Beobachter an der Sitzung teil.

Die Abkürzung A.G.F.A. der dritten um Aufnahme ersuchenden Vereinigung steht für „Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Amateurfunks“. Der Verein wurde am 14.08.1994 in Burgdorf gegründet, wo er auch seinen Sitz hat, er hat sieben Mitglieder, davon drei Vorstandsmitglieder, erhebt keine Beiträge und gibt als Vereinszweck an: „Zweck des Vereins ist die Förderung des Amateurfunks. Er führt alle ihm zur Erreichung des Vereinszwecks erscheinenden Maßnahmen durch“.

Der RTA hat den Aufnahmeantrag dieses Vereins eingehend diskutiert. Schließlich handelt es sich um einen Verein ganz anderer Prägung als bei allen anderen Vereinigungen, von denen bisher im Zusammenhang mit dem RTA die Rede war. Vereinszweck ist nicht die aktive Beschäftigung mit dem Amateurfunk oder einer seiner Spielarten, sondern die Förderung des Amateurfunks. Der angereiste Vertreter des Vereins, Nils Schiffhauer, DK8OK erläuterte, daß diese Förderung des Amateurfunks vorwiegend durch publizistische Maßnahmen erfolgen solle, welche durch ihn selbst sowie weitere Mitglieder des Vereins wahrgenommen würden.

Der RTA war der Ansicht, daß der Bundestagsausschuß für Post und Telekommunikation wohl kaum an solche Arten von Vereinigungen gedacht hat, als er nach einer demokratisch legitimierten Vertretung der deutschen Funkamateure verlangte. Würde dieser Verein jetzt in den RTA aufgenommen und das Beispiel Schule machen, so würde der RTA bald durch Nachahmer lahmgelegt sein. Er hat daher die Aufnahme der A.G.F.A abgelehnt und dem Antragsteller anheimgestellt, nach zweijährigem Bestehen des Vereins und nachgewiesener, aktiver Vereinstätigkeit im Amateurfunk einen Aufnahmeantrag erneut zu stellen.

In der weiteren Diskussion stellte sich der RTA einstimmig hinter das „CW-Statement“, das die Vorsitzenden des RTA im Juli dem BMPT übergeben haben.

Eine weitere Frage im Zusammenhang mit dem RTA hat sich in der letzten Zeit ergeben. Inwieweit berührt die Existenz dieses Arbeitskreises die Selbständigkeit der in ihm vertretenen Vereinigungen? Von einigen Stimmen wurde suggeriert, daß Vereinigungen ihre Meinung nur noch nach Abstimmung im RTA äußern dürften. Das ist Unsinn. Alle im RTA vertretenen Amateurfunkvereinigungen sind selbständige Vereine und zwar in jeder Hinsicht. Die Existenz des RTA hat daran überhaupt nichts geändert. Er ist nur dann gefragt, wenn zwischen dem Amateurfunk einerseits und Politik und/oder BMPT andererseits Fragen verhandelt werden sollen, welche das AFuG, die zugehörige Durchführungsverordnung oder ähnliche, hoheitliche Regelungen für den Amateurfunk betreffen. Und selbst da hat jede Vereinigung weiterhin das Recht und die Möglichkeit, ihre Meinung direkt kund zu tun. Die Frage ist, was BMPT oder Politik damit machen. Sie werden die betreffende Vereinigung an den RTA verweisen, denn anhören werden sie jeden, verhandelt werden diese Fragen jedoch ausschließlich mit dem RTA. Dies hat das BMPT mehrfach versichert.

Der RTA ist auch nicht eine Stelle, an die das BMPT, oder Andere, alle möglichen Papiere zur Weiterleitung an die Mitgliedsvereinigungen schicken können. Dafür ist der RTA weder gegründet noch finanziert. Sein alleiniger Zweck ist die demokratisch legitimierte Meinungsäußerung und Verhandlung in den eben genannten, hoheitlichen Fragen, nicht mehr und nicht weniger.

Lassen Sie uns nun den RTA verlassen und uns unserem nächsten Thema zuwenden, dem CW-Statement, das so heftige Reaktionen unter den Funkamateuren ausgelöst hat. Wir haben dieser Diskussion breiten Raum in der CQ DL gegeben, so daß hier inhaltlich kaum noch etwas zu sagen bleibt. Ich möchte deshalb an dieser Stelle nur zwei Dinge erneut bekräftigen:

1.) Die Verfasser und auch ich haben zu keiner Zeit beabsichtigt, irgendwen mit unseren Ausführungen herabzusetzen. Wer den Text genau liest, der wird auch nichts derartiges finden. Wer es dennoch zu finden glaubt, der zieht, ob bewußt oder unbewußt, Umkehrschlüsse, und das ist dann nichts anderes eine Manipulation des Originaltextes. Daraus dann abgeleitete Vorwürfe sind irrelevant. Einen Vorwurf allerdings muß man gelten lassen, nämlich den, daß man als Autor Texte eben so abfassen muß, daß solche Mißverständnisse gar nicht erst entstehen können. Das ist richtig. Aber der Text war ja nicht für die Funkamateure, sondern für das BMPT geschrieben. Leider wurde das von den wenigsten berücksichtigt.

2.) Das gesamte Machwerk hat nicht etwa eine besondere Heraushebung der Morsetelegrafie als Betriebsart zum Ziel, sondern war und ist ein Element in unseren Bemühungen, eine Einheitslizenz im Amateurfunk zu verhindern. Hier hat der Nachweis von Morsekenntnissen als Zugangsvoraussetzung zur Kurzwelle seinen wichtigen, international verankerten Platz. Der Stellenwert der Morsetelegrafie als Betriebsart innerhalb der Palette aller anderen Betriebsarten ist ein ganz anderer Schuh.

Wie dem auch sei: Diese unglückliche, öffentliche Diskussion hat diesen Ansatz zum Erhalt unseres vernünftigen, gestuften Lizenzklassensystems zu einem klassischen „Rohrkrepierer“ werden lassen. So etwas ist wohl der ab und zu zu zahlende Preis für eine offene Informationspolitik. Und gerade um hier nicht aufgrund der Diskussion im BMPT einen verzerrten Eindruck entstehen zu lassen, hat sich der RTA einstimmig hinter das Statement gestellt, von dem wir im übrigen wissen, daß es von der überwiegenden Mehrheit der Funkamateure inhaltlich getragen wird.

Unser drittes Thema: Das Editorial der Funk 10/1994.

Wer bisher noch unsicher war darüber, wer auf welcher Seite steht, der möge sich dieses Editorial, und danach den Beitrag von DK5BU in der CQ DL 10/1994 durchlesen. Es hat selbst mich überrascht, mit welcher Unbekümmertheit der Autor dieses Funk-Editorials, Nils Schiffhauer, sich zum Sprecher der Vorstellungen einiger BMPT-Beamten macht und sie als Großtat in Sachen Liberalisierung preist. Lassen Sie mich zitieren:

„Damit werden in den kommenden zwölf Monaten die wichtigsten Weichen für den Amateur- und Hobbyfunk seit Einführung des Amateurfunkgesetzes 1949 gestellt. Deutschland wird damit eine der weltweit liberalsten Zugangsregelungen zum Amateurfunk haben – ein Pfund, mit dem die großen Amateurfunkverbände trefflich wuchern sollten, wenn sie erst einmal die Enttäuschung überwunden haben, daß sie sich mit ihren eher restriktiven Vorstellungen nicht durchsetzen konnten“.

Was ist es denn, was der Autor so überschwenglich preist? In Kurzform eine Vereinfachung des Lizenzsystems, worunter die Reduktion unserer derzeitigen drei Lizenzklassen auf eine Einheitslizenzklasse zu verstehen ist. Mit der darf dann jeder auf allen Bändern arbeiten, allerdings nicht in Telegrafie. Dafür soll eine Zusatzprüfung gefordert werden. Angereichert werden soll das Ganze um eine Art „Einsteigerlizenzklasse“ mit gerätebezogener Genehmigung, die nur zum Betrieb im 70-cm-Band berechtigt.

Wir kennen diese Vorstellungen, welche übrigens nur mit einem geänderten Amateurfunkgesetz realisierbar wären, seit langem aus unseren Gesprächen im BMPT. Nichts daran ist neu. Aber auch nichts davon ist realisiert. Und wenn der Autor so tut, als stünde eine Realisierung in absehbarer Zeit bevor, so ist das nichts anderes als die Vorbereitung des Bodens für eine von ihm befürwortete Form des „Amateurfunk light“, zweifellos im Interesse einiger Beamter im BMPT und vielleicht auch der Industrie. Denn das weiß man: Man muß nur lange genug so darüber reden, als sei es die Realität, dann werden die Leute das allmählich auch für die Realität ansehen und sich damit abfinden. Wir aber nicht. Und wir werden Sie auch weiterhin darauf aufmerksam machen, was dahinter steckt.

Auch wenn der Autor dieses für einige Leute sicher gefälligen Editorials bezeichnenderweise unter sein Werk schreibt „ohne Gewähr – alles fließt“, womit er sich, wie auch in anderen Fällen, aus der Verantwortung für seine Äußerungen zu stehlen sucht: Auf die leichte Schulter darf man die uns ja bekannten Wünsche des BMPT nicht nehmen. und nun ganz klar und deutlich: Der RTA wünscht wie der DARC keine Einheitslizenz. Sie würde uns Funkamateuren die Möglichkeit einer pädagogisch sinnvollen und bewährten Nachwuchsgewinnung und -schulung nehmen. RTA und DARC wünschen auch keine Verwischung der Unterschiede so verschiedener Dinge wie es der Amateurfunkdienst und der CB-Funk sind. Das ist auch die Position der IARU. Nichts gegen eine Kooperation mit dem CB-Funk, aus dem auch wir Nachwuchs beziehen. Das ist vernünftig, und wir streben das auch an. Aber nicht auf Kosten einer Verwischung der Identität beider Seiten, wie das hier zwischen den Zeilen zu erkennen ist.

Deswegen wäre diese neue Linie, wenn sie denn durchkäme, auch kein Pfund, mit dem ein dem ernsthaften Amateurfunk verpflichteter Verband wuchern möchte. Es kann sein, daß man die Chance erhielte, die Mitgliederzahl deutlich zu vergrößern. Aber um welchen Preis? Wer solche Vorschläge macht, der hat nicht begriffen, was Amateurfunk wirklich ist.

Wie steht es nun mit unseren Chancen für den Erhalt eines anspruchsvollen Amateurfunks? Ich möchte hier eine Politiker-Äußerung vom vergangenen Montag bei der Podiumsdiskussion in Solingen heranziehen. Eine Äußerung, der alle dort auf dem Podium sitzenden Politiker zustimmten. Die Gesetze verabschieden die Politiker, und nicht die Administration. Und die Politiker haben noch immer offene Ohren für unsere berechtigten Anliegen und wollen nichts gegen die ausdrücklichen Wünsche der Funkamateure tun. Auch wenn die Funkamateure ganz andere andere Schwerpunkte setzen, als dies von der Administration gewünscht wird. Wir haben noch immer Chancen, unseren Argumenten zum Durchbruch zu verhelfen. Selbst dann, wenn die Verhandlungen mit dem BMPT wider Erwarten in die falsche Richtung laufen sollten. Wir müssen wachsam sein, dürfen aber nicht unüberlegt oder gar chaotisch reagieren. (Übrigens: Westdeutsche Zuhörer können die Originalaufnahme dieser interessanten Veranstaltung heute Nachmittag um 15:00 Uhr auf 145,450 MHz in FM sowie über das 70-cm-Relais Düsseldorf hören. Es soll versucht werden, auch eine Kurzwellenabstrahlung zu realisieren.)

Sie sehen, liebe Freunde, daß die nähere Zukunft uns einiges abverlangen wird. Aber nicht nur die nähere Zukunft. Auch längerfristig stehen wir vor tiefgreifenden Veränderungen. Der Amateurfunk kann sich nicht von gesellschaftlichen Entwicklungen abkoppeln. Ihnen gerecht zu werden, ohne die entscheidenden Werte des Amateurfunks zu verraten, ist die vielleicht größte Aufgabe der nächsten 10 Jahre. Was das bedeutet, damit werde ich mich in einem der nächsten Rundsprüche befassen.

Jetzt wünsche ich Ihnen ein angenehmes, verlängertes Wochenende.

DL9MH


Ende des Sonder-RS 3/94 vom 02.10.1994

Archiv-Bearbeitung: DC7XJ

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