SONDER-RUNDSPRUCH NR. 1/93 VOM 14.11.1993


Liebe XYLs, YLs und OM,
hier ist DL9MH. Ich begrüße Sie an diesem Sonntagmorgen als Hörer des ersten Sonder-Rundspruchs des DARC-Vorstandes. Dieser Rundspruch wird heute von mir auf den Frequenzen 3,770 MHz in SSB, sowie auf 145,150 MHz in FM abgestrahlt. Er wird weiterhin von DK4EI live übernommen und auf ca. 7,090 MHz in SSB sowie in FM über das Meißner-Relais übertragen.

Mit diesem Sonder-Rundspruch wollen wir eine neue Variante der Information der Mitglieder einführen. Wir werden in Zukunft solche Rundsprüche ausstrahlen, wenn wir einen besonderen Informationsbedarf sehen. Der Inhalt dieser Rundsprüche wird auch als OV-Mitteilung verteilt und in Packet-Radio veröffentlicht.

Der DARC-Vorstand hat seit seiner Wahl kontinuierlich über aktuelle Vorgänge informiert. Er hat sich hierfür überwiegend des Mediums Packet-Radio bedient, und die meisten unter Ihnen werden die Veröffentlichungen von DK9HU verfolgt haben, der die Aufgabe der ständigen Information für dem DARC-Vorstand meistens wahrnimmt. Leider wurden in letzter Zeit die Veröffentlichungen von DK9HU in Packet-Radio häufig von Unbekannten gelöscht, so daß der Eindruck einer nachlassenden Informationstätigkeit des Vorstands entstanden sein könnte.

Aus diesem Grund, und auch, weil nicht alle unter Ihnen in Packet-Radio QRV sind, haben wir uns zu dieser Art einer zusätzlichen Information entschlossen. Es ist ein Experiment, das wir weiterführen werden, wenn es auf Interesse stößt.


Ich möchte Sie in den nächsten 20 Minuten über drei Themenkreise informieren:

  1. Stand der Verhandlungen zur DV-AFuG
  2. Stand der Dinge in Bezug auf eine Dachorganisation der Funkamateure
  3. Die Situation des DARC

Alle drei Themen hängen miteinander zusammen. Lassen Sie mich mit der DV-AFuG beginnen:

Das dritte Jahr des Ringens um diese neue Durchführungsverordnung zum Gesetz über den Amateurfunk geht zu Ende. Alle Beteiligten haben die endlosen Diskussionen satt. Wo stehen wir?

Blicken wir zurück: 1991 begannen die Arbeiten, bei denen das BMPT erstmals die Funkamateure in der sogenannten „Projektgruppe Amateurfunk“ beteiligte. 1992 legte das BMPT, nachdem es die Verhandlungen mit den Funkamateuren in der „Projektgruppe Amateurfunk“ langsam hatte einschlafen lassen, einen ersten Entwurf nach eigenen Vorstellungen auf den  Tisch. Dieser „Rohentwurf“ trug Züge einer totalen Regulierung aller Amateurfunkaktivitäten. Er stieß auf massiven Protest der Funkamateure. Diese totale Regulierung sei durch das AFuG nicht gedeckt, so hieß die Argumentation. Das BMPT war verärgert und zog den „Rohentwurf“ zurück.

Nach einem Jahr, im April 1993, kam der zweite Entwurf. Inzwischen hatte der DARC einen neuen Vorstand. Dieser zweite Entwurf des BMPT stellte gegenüber dem ersten eine komplette Kehrtwendung dar. Er war vom Gedanken einer weitgehenden Deregulierung getragen. Regulierung sei durch das AFuG nicht gedeckt, argumentierte das BMPT. War das die Retourkutsche, nachdem die Funkamateure vorher so vehement die Unvereinbarkeit von totaler Regulierung mit dem AFuG verfochten hatten? Verständlich wäre das jedenfalls.

Aber: Akzeptabel war dieses Maß an Deregulierung nach Meinung des DARC nicht. Man stelle sich nur vor, jeder Funkamateur würde unkoordiniert und auf jeder ihm beliebenden Frequenz Relais oder Digipeater mit beliebiger Leistung errichten und betreiben. Das Chaos wäre perfekt. Und chaotische Zustände auf den Amateurfunkbändern würden nicht nur an unseren Schnittstellen zum Ausland für Ärger sorgen. Sie würden ganz allgemein die Begründung dafür liefern, daß nun die Genehmigungsbehörde mit harten Eingriffen für Ordnung sorgen MÜSSTE. Plötzlich wäre die Begründung für Leistungsreduktionen, für Bandbeschneidungen, Sondergenehmigungen und ähnliches vorhanden.

Das ist der Grund, warum der DARC seit der Existenz dieses zweiten Entwurfes um eine DV-AFuG kämpft, die nicht entweder extrem reguliert oder gar nicht reguliert, sondern ein vernünftiges Mittelmaß einnimmt. Extreme Regulierung ist zwar vom Amateurfunkgesetz nicht gedeckt. Aber der ausdrückliche Auftrag des Gesetzes, durch eine Verordnung die geordnete Durchführung des Amateurfunks zu ermöglichen, ist durch weglassen jeder ordnenden Regelung eben auch nicht erfüllt.

Nach intensiven Gesprächen, Hearings und ähnlichem entstand schließlich im BMPT ein nicht mehr veröffentlichter, dritter Entwurf, der im September mit anderen Ministerien diskutiert wurde. Die Verordnung wurde „abgespeckt“ und wichtige Regelungsinhalte in Amtsblattverfügungen geschoben. Diese Variante wurde vom Justizministerium als rechtlich unzulässig verworfen. Es ist noch offen, ob sie weiterverfolgt wird.

Mittlerweile soll laut DJ2NL ein noch geheimer, vierter Entwurf existieren. Amtlich ist darüber nichts zu erfahren. Nach unseren Informationen dürfte es sich um eine „Ente“ handeln.

Es kann niemanden verwundern, wenn sich im BMPT in dieser Sache Unmut und Frustration breit gemacht haben. Leider gilt das auch für die Abgeordneten des deutschen Bundestages, die mit dieser unendlichen Geschichte befaßt und mit Briefaktionen zur Unzeit belastet wurden. Und nun zieht eine neue Gefahr herauf, vor der ich seit Jahren gewarnt habe: Wenn es mit den Verordnungen auf der Basis des gültigen AFuG nicht zu schaffen ist, dann muß eben das Gesetz geändert werden - oder sogar ganz gestrichen werden. Das sagt das BMPT seit langem, und neuerdings auch das Justizministerium und die Bundestagsabgeordneten. Damit ist nun wirklich Gefahr im Verzug!

Sie werden, liebe Zuhörer, sicher gemerkt haben, daß ich bisher zwar über den Gang der Dinge, aber kaum über die Handlungsweise der Beteiligten gesprochen habe. Das kommt nun. Aber, wer sich nun darauf freut, daß hier Leute verbal verprügelt werden, der kann ruhig abschalten. Das kommt nicht.

Nehmen wir erst mal den Verordnungsgeber. Der ist ganz neutral an die Dinge heran gegangen. Er liebt uns Funkamateure ebensowenig wie er uns haßt. Oder soll ich das besser für die Vergangenheit sagen? Jedenfalls scheint er seit einiger Zeit die Nase voll zu haben von den Funkamateuren, die ihn seit drei Jahren mit einer für ihn vergleichsweise unwichtigen Sache über Gebühr beschäftigen. Und entsprechend wird die Gangart zunehmend rauher. Wir sind zwar der Ansicht, daß er diese Entwicklung maßgeblich selbst heraufbeschworen hat, indem er

- erstens kein klares Konzept hatte und
- zweitens zu viele, demokratisch nicht legitimierte Gruppen angehört hat,

aber so ist es nun mal. Jetzt jedenfalls will er mit niemandem mehr reden. Das wollen auch die Bundestagsabgeordneten nicht mehr. Sie haben mit einer Resolution die Funkamateure aufgefordert, eine für alle sprechende Vertretung zu installieren, und gleichzeitig den BMPT gebeten, in Zukunft nur mit dieser Vertretung der Funkamateure weiter zu verhandeln.

Das ist eine deutliche Aufforderung an uns Funkamateure. Und diese Forderung besteht zu Recht und kann uns nur nutzen. Denn was da bisher gelaufen ist, war in höchstem Maße nachteilig für uns. Da haben sich an die 30 Vereinigungen beim BMPT als Repräsentanten der Funkamateure dargestellt. Es ist ganz unvermeidlich, daß dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Vorstellungen geäußert wurden. So etwas ist eine geradezu ideale Konstellation für die andere Seite in den Verhandlungen: Sie kann immer behaupten, daß sich die Funkamateure ja nicht einig seien und damit alles legitimieren, was auch immer sie uns gegenüber tut. Man nennt das das Prinzip von „divide et impera“, zu deutsch: „Teile und herrsche“.

Was man aus dem bisherigen lernen sollte:

Erstens: Wer auf politischer Ebene nur formal juristisch argumentiert und auf Rechtspositionen beharrt, kann sich in den eigenen Schlingen fangen. Solche Argumentation kann tödlich werden, wenn man sie denen aufzwingt, welche die Macht haben, Gesetze zu ändern. Ganzheitliches Denken ist gefragt.

Zweitens: Wer mit unterschiedlichen Meinungen einem geschlossen agierenden Verhandlungspartner gegenübersteht, wird unweigerlich von diesem auseinanderdividiert.

Und damit komme ich zu meinem zweiten Punkt, dem Stand der Dinge in Bezug auf eine gemeinsame Vertretung der Funkamateure.

Zuerst einmal die Ausgangsposition:
Es gibt unter den über zwei Dutzend „Amateurfunk-Vereinigungen“, die beim BMPT geführt werden, nur eine, die bundesweit tätig ist UND alle Sparten des Amateurfunks vertritt, das ist der DARC, zusammen mit dem ihm korporativ angeschlossenen VFDB. Beide zusammen vertreten aufgrund ihrer Mitgliederzahl rund 90 % der deutschen Funkamateure. Und der DARC ist die alleinige internationale Vertretung der deutschen Funkamateure.

Alle übrigen vom BMPT bisher beteiligten Gruppen sind, soweit sie zahlenmäßig überhaupt relevant sind, Vertretungen von spezial-Interessen. Sie haben kein Mandat zur Vertretung der Funkamateure allgemein.

Für die gemeinsame Dachorganisation gibt es drei Möglichkeiten:

1. Möglichkeit: Es wird ein Dachverband geschaffen, in dem die beteiligten Vereinigungen ein ihrer Mitgliederzahl entsprechendes Stimmgewicht haben. Das wäre demokratisch sauber. Aber, dann hätte die Meinung des DARC immer die Stimmenmehrheit, also kann man es gleich lassen.

2. Möglichkeit: Es wird ein Dachverband geschaffen mit anderen Stimmgewichtungen. Das macht der DARC nicht mit. Und selbst wenn er es täte: Wer bezahlt dann den Aufwand der Vertretung im In- und Ausland? Der DARC gibt dafür 1993, grob geschätzt, eine halbe Million Mark aus. Die würden dann zu gleichen Teilen auf die Mitglieder des Dachverbands verteilt. Mal sehen, wer dann übrig bliebe.

3. Möglichkeit: Der DARC wird als alleinige Vertretung der Funkamateure von allen Funkamateuren und von dem Verordnungsgeber anerkannt. Er öffnet sich für die Meinungsbildung den jeweiligen für die Fragestellung in Frage kommenden Vereinigungen und sichert ihnen die Weitergabe von Minderheitsvoten zu. Diese Möglichkeit ist demokratisch akzeptabel und für diese Vereinigungen finanzierbar.

Der DARC verfolgt diese Möglichkeit 3. Hier haben erste Gespräche mit einigen größeren Vereinigungen am Rande der INTERRADIO stattgefunden. Ein Ergebnis steht noch aus.

Sie sehen, liebe Zuhörer, daß der DARC sich um diese gemeinsame Legitimation bemüht und auch bereit ist, Zugeständnisse zu machen. Eines muß aber auch klar sein: Der DARC hat sich verpflichtet, ALLE Elemente des Amateurfunks angemessen zu vertreten. Er kann und wird unangemessene Forderungen von Einzelgruppen nicht in seine eigenen Voten übernehmen, sondern nur als Minderheitenvoten weitergeben. Und er wird die anderen Amateurfunkvereinigungen nicht aus seinen Mitgliederbeiträgen auch noch finanzieren, indem er die Kosten von deren Vertretern bei gemeinsamen Beratungen übernimmt. Sie staunen? Das ist von einigen schon gefordert worden!

Hier also die Fakten:

  1. Der Verordnungsgeber wird künftig mit einer gemeinsamen Vertretung, oder mit niemandem reden. Und
  2. Am DARC kann niemand vorbei.

Ich denke, das muß einmal unmißverständlich gesagt werden. Wer mehr will, der muß auch das Mandat vorweisen und sein „MEHR“ finanzieren können.

Und nun zum letzten Punkt, dem Zustand des DARC.

Wenn man in Packet-Radio die entsprechenden Rubriken sichtet, so könnte man zu dem Schluß kommen, der DARC sei kurz vor dem Zusammenbruch. Dieser Anschein trügt jedoch. Bei genauerer Analyse stellt sich schnell heraus, daß es ein kleiner, aber recht aktiver Kreis von – freundlich ausgedrückt – Individualisten ist, der hier den negativen Eindruck erzeugt.

Natürlich ist nicht alles perfekt in diesem Club. Aber wer es besser haben will, der soll anpacken, und nicht meckern und trotzdem die paar nützlichen Idioten von Funktionären alles allein machen lassen. Ein Haus kann man leicht mit einer Bombe zerstören und sich an dem Spektakel erfreuen. Das Aufbauen ist allerdings langwieriger und mühsamer.

Es ist vieles gut im DARC, und es gibt eine große, schweigende Mehrheit. Würde die sich im gleichen Maße äußern, wie die Unzufriedenen, so träten die kaum mehr in Erscheinung. Ich bitte Sie, die Sie der schweigenden Mehrheit angehören:

Melden Sie sich zu Wort. Verhindern Sie mit Ihren Äußerungen, daß beim BMPT und in der Öffentlichkeit das Bild der Funkamateure als einem Chaotenhaufen weiter verfestigt wird. Sie nützen damit in erster Linie dem Amateurfunk, in zweiter Linie natürlich auch dem DARC.

Das, liebe Zuhörer, war unsere heutige Nachricht. Leider konnten wir diese wichtigen Zusammenhänge nicht in 10 Minuten darstellen. Ich danke Ihnen, daß sie ausgeharrt haben.

Hier war DL9MH in Königswinter


Ende des Sonder-RS 1/93 vom 14.11.1993

Archiv-Bearbeitung: DC7XJ

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