Lieber OVV!

Vor mir liegt ein Schreiben vom 18.01.1964, dessen Einleitung ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Es heißt dort: „.... nach meiner kommissarischen Übernahme des OV-Vorsitzes in .... im November 1963 habe Ich erst einmal Aktenstudium getrieben und war erstaunt, auch die gelben Arbeitsblätter für die OVVe zu finden. Die Herausgabe dieser Blätter war eine gute Idee! Das hätte es schon eher geben sollen ....“.

In dem gleichen Schreiben übermittelt der OM mir dann eine „Splittersammlung“, die das Ergebnis einer Unterhaltung in kleinem Kreise über die Gestaltung von OV-Abenden und Nachwuchswerbung war. Diese verschiedenen „Splitter“ waren für mich so aufschlußreich, daß ich sie teilweise in überarbeiteter Form wiedergeben möchte.

Nachwuchswerbung. Die berufliche Zusammensetzung eines jeden OVs ist meistens örtlich bedingt. Ist beispielsweise in dem Ort die Fernmeldeindustrie zu Hause, so werden von ihr die Mehrzahl der Mitglieder kommen. Es werden also im OV viele technisch versierte Mitglieder sein, die, mehr oder weniger ihr Eigenleben führen und sich schwer an „Außenseiter“ gewöhnen und daher auch häufig eine Werbung auf breiter Basis ablehnen. Gibt es in der Stadt eine TH oder Universität, dann werden viele Studenten, überwiegend Physiker und Techniker, im OV zu finden sein. Auch sie sind wertvolle Mitglieder des Clubs, die über Fachkenntnisse verfügen und sich ohne große Betreuung im OV wohlfühlen werden. Wie wirbt und fesselt man aber technisch Außenstehende? Eine teure Clubstation dürfte wohl nicht ganz zweckmäßig sein, denn ehe die OM, die hier angesprochen werden sollen, an die Station dürfen, vergeht sehr viel Zeit, die vielleicht sogar einmal zum Schwarzsenden verführen könnte.

Wenn sich dagegen aber der OVV mit dem Stadtjugendamt koppelt, um in einem Raum einen technischen Anfänger- und CW-Lehrgang abhalten zu können, so wird der Erfolg nicht ausbleiben. Selbstverständlich wird zur Deckung der Unkosten (Hörleisten, Beleuchtung, Heizung usw.) eine kleine Gebühr erhoben, die beim Abspringen. des Teilnehmers zugunsten des OVs verfällt, sonst aber noch die DE-Prüfung bzw. die Gebühr für das DE-Diplom einschließt. Wenn ein solcher Lehrgang sich bei mindestens 2 Stunden wöchentlich über einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten erstreckt, wird der Erfolg nicht ausbleiben. Der CW-Lehrgang für Anfänger sollte aber stets in einem geschlossenen Raum abgehalten werden. Morselehrgänge auf dem 70-cm-, 2-m- oder 10-m-Band haben nur Zweck für Fortgeschrittene, die bereits einwandfrei im Geben und Hören sind und nur ihr Tempo erhöhen wollen. In München haben sich solche Anfängerlehrgänge sehr gut bewährt. Die Teilnehmerzahl beträgt anfangs etwa so bis 40 und am Ende des Lehrganges etwa 15 bis 20. Beim Anlegen eines strengen Maßstabes erreichen Immer 90 bis 95 % das Lehrgangsziel (DE-Prüfung).

Fachvorträge bei OV-Abenden. Ich zitiere: „.... hatten wir fast jeden OV-Abend (zweimal im Monat) ein technisches Referat. Unser T-Ref konnte dabei seine Hochschulbildung nicht verleugnen. Aus den Referaten wurden Vorlesungen. Die OM knurrten ...“. Nachdem der OVV Referate mit 20 Minuten Sprechzeit eingeführt hatte, stellte er fest: „.... die Beschränkung der Referatszeit auf maximal nur 20 Minuten ist weise. Einmal tröstet es den Referenten, zum andern kann man in 20 Minuten nicht in die Überhorizonttheorie einsteigen, das Referat bleibt also auf OV-Ebene ....“.

Wenn an jedem OV-Abend ein Referat gehalten wird, so erscheint mir das zuviel. Vor allen Dingen sollen aber keine „Fortsetzung-folgt“-Referate gehalten werden. Das bringt Unfrieden, denn im OV sitzen OM mit und ohne Fachkenntnisse. Einmal wird man also vielleicht die SSB-Gruppe ansprechen und das andere Mal die OM, die etwas über den Unterschied eines Geradeaus- und Superhet-Empfängers wissen möchten. Bei einer Sprechzeit von 20 Minuten wird auch von allen Seiten Verständnis dafür aufgebracht werden, daß das Thema einmal nicht „für mich“ zugeschnitten ist. Je häufiger die Gebiete der Themen gewechselt werden, um so größer der Erfolg. Es soll auch nicht nur der T-Ref zu Worte kommen. Jeder OM, der sich mit einem Spezialgebiet beschäftigt, ist ein wertvoller Referent, auch wenn er vielleicht beim Vortrag etwas stottert, weil er nicht an das Reden in der Öffentlichkeit gewöhnt ist.

Lichtbild- oder Filmvorträge. Eine alte pädagogische Weisheit sagt, daß das Auge eine bessere geistige Aufnahme von Geschehnissen gewährleistet als das Ohr. Daß dies stimmt, kann ich aufgrund meiner jahrelangen Erfahrungen bestätigen. Mein Farbfilm begleitet mich auf allen Wegen und Reisen, und von den rund 3000 Dias entfallen eine ganze Menge auf die beiden Serien „Amateure und Amateurstationen“ und „Amateur-Veranstaltungen“. Müssen wir im OV-Abend aber immer fachsimpeln? Bei zwei OV-Abenden im Monat sollte einer dem persönlichen Näherkommen gehören. Ein Farbbildvortrag über die schneebedeckten Berge, eine Seefahrt nach Skandinavien, eine Wanderung durch den Schwarzwald u. a. m. wird uns menschlich zusammenführen und damit auch die Amateurfreundschaft festigen. Großfirmen und Ölgesellschaften verleihen kostenlos wertvolle 16-mm-Tonfilme, deren Vorführung heute wohl kaum noch bei einem OV auf Schwierigkeiten stößt. Unser OVV setzte uns einmal Filme über den Abschuß, usw. von Weltraumraketen vor. Ich brauche wohl nicht erst zu sagen, mit welcher Begeisterung diese Vorführung aufgenommen wurde. Amateure, die sich nur noch über QSOs, Ausbreitungsbedingungen und Diplome unterhalten können und dabei vielleicht sogar Beruf und Familie vernachlässigen, sind zu bedauern. Unser Hobby oder Steckenpferd soll einerseits Entspannung vom Alltag bringen, andererseits aber auch das Familienleben festigen und Freundschaften in fern und nah knüpfen oder vertiefen.

AKT-Blätter. Die Frage nach der Wiedereinführung der früheren Beilage des DL-QTC wurde schon häufig gestellt. Der Geschäftsführende Vorstand des DARC hat sich damit auch schon häufig befaßt und nach möglichen Wegen hierfür gesucht. Z. Z. geht es aber leider noch nicht, lieber Freund. Die AKT-Blätter müssen nach einem festen Programm gruppenmäßig bearbeitet und herausgegeben werden. Es ist nicht möglich, diesen schwierigen Stoff kurzfristig von Monat zu Monat zu bearbeiten. Dem DARC fehlt ein versierter Fachbearbeiter, der die Zeit aufbringen kann, um für mindestens ein Jahr im voraus nach einem dekadischen Programm die Karten einschließlich der Zeichnungen neben seinem Beruf zu bearbeiten. Bedenken Sie bitte, daß die Gruppierung der Karten und die Zeichnungen nach DIN ausgeführt sein müssen, damit sie auch von anderen daran interessierten Stellen verwendet und verwertet werden können. Der DARC ist bemüht, laufend die Leistungen gegenüber seinen Mitgliedern zu erhöhen. Er würde es gern auch in diesem Falle tun, aber leider ist es z. Z. noch nicht möglich, und wir müssen uns mit Formelsammlungen und anderen Fachbüchern abfinden. Hiervon gibt es aber unzählige auf dem Markt. Für den Anfänger seien genannt:

Bergtold Die große UKW-Fibel
Dosse Der Transistor
Fontaine Dioden und Transistoren
Geiger Modulation, Vorgang und Theorie - Ein einführende Darstellung
Kronjäger und Trage Einführung in die Funktechnik
Möller Die physikalischen Grundlagen der Hochfrequenztechnik
Telefunken Der Transistor, Grundlagen, Kennlinien, Schaltbeispiele.

Für fortgeschrittene Amateure dürften vor allen Dingen Veröffentlichungen von Interesse sein, die sich mit den höheren Frequenzen befassen. Einige Titel:

Handbuch für Hochfrequenz- und Elektrotechniker

Kleen Einführung in die Mikrowellen-Elektronik
Teil I: Grundlagen - Teil II: Lauffeldröhren
Mataré Empfangsprobleme im Ultrahochfrequenzgebiet
Megla Dezimeterwellentechnik

Taschenbuch der Fernseh- und UKW-Empfangstechnik

Schweizer UHF-Messungen
Shea Transistortechnik
Telefunken Laborbuch
Wosnik Mikrowellentechnik und Antennen.

Hinzu kommen ferner noch die vielen guten Bücher, die Amateure für Amateure geschrieben haben (z. B. Schultheiß). Sie sehen also, daß eine kleine Bücherei innerhalb des OVs durchaus Anspruch auf Berechtigung hat.

Zeitschriften. Über die deutschen Zeitschriften, die für die Amateure von Wichtigkeit sind, wollen wir hier nicht sprechen. Allen voran marschiert dabei jedenfalls unser DL-QTC, welches jetzt durch die Hinzunahme des KW-Hörers noch wertvoller geworden ist. Über ausländische Zeitschriften lohnt es schon einige Worte zu verlieren. Die CQ, QST, das RSGB-Bulletin und die Verbandszeitschrift des REF bringen z. T. hervorragende technische Abhandlungen. Da wir nicht erwarten können, daß alle unsere Mitglieder englische und französische Zeitschriften lesen können, sollten sprachgewandte OM die ausländischen Zeitschriften durchblättern und Veröffentlichungen von allgemeinem Interesse in knappen Worten an OV-Abenden den anderen OM zur Kenntnis bringen. Dabei sollte aber stets eine Wandtafel zur Verfügung stehen, damit kleine Schaltungen als Skizzen wiedergegeben werden können. Achten Sie aber bitte stets darauf, daß auch die Skizzen lesbar und nach DIN gezeichnet sind, damit der Anfänger gleich richtig geleitet wird und nicht etwa Spule und Widerstand usw. verwechselt. Glücklicherweise geht das Ausland auch immer mehr auf DIN-Symbole über.

Nun, lieber Freund, die „Splitter“ sind zwar noch nicht erschöpft, dafür aber der zugebilligte Umfang meines Manuskriptes. Ich hoffe, daß Sie viele Erkenntnisse sammeln konnten. Mir hat das Schreiben des OM viel Anregung gebracht, wofür ich ihm herzlich danke.

Denken Sie jetzt aber bitte stets daran, daß die Arbeitsblätter für die OVVe erst dann in die Akten gehören, wenn sie ihre Dienste in den OV-Abenden erfüllt haben.

Mit den besten Grüßen
Ihr Werner Feilhauer, DL 3 JE


Abschrift und Archiv-Bearbeitung: DC7XJ


Arbeitsblätter Rundspruch-Archiv