Lieber OVV!

Bei der Hauptversammlung 1963 in Ulm hatte der damalige Auslandsreferent OM Schädlich, DL1XJ, zugesagt, einmal im Rahmen der Arbeitsblätter Grundsätzliches über internationale Konferenzen auszusagen. Aus seiner Feder stammt der folgende Beitrag:

Internationale Konferenzen und der Amateurfunk

Regierungskonferenzen, Verwaltungskonferenzen, Regionalkonferenzen, Expertentagungen, multilaterale Abmachungen usw. usw. .... Es schwirrt nur so von Bezeichnungen im internationalen Bereich, und der OM weiß nicht so recht, was er davon halten soll. Ist der Amateurfunk wirklich von all diesen Zusammenkünften bedroht, und worum handelt es sich hierbei eigentlich? Diese Frage wird oft gestellt, doch leider selten richtig beantwortet. Zunächst einige Begriffserklärungen:

1. Regionalkonferenz. Sie ist genau das, was der Name besagt: Verschiedene Regierungen also die höchsten Autoritäten souveräner Staaten setzen sich zusammen, um etwas auszuhandeln und zu beschließen. Dieses „Etwas“ nennt man meistens einen Vertrag. Solche Verträge, auf Regierungsebene beschlossen, regeln nur grundsätzliche Dinge. So wurde z. B. der Internationale Fernmeldevertrag zuletzt 1959 In Genf von einer Regierungskonferenz beschlossen (frühere Regierungskonferenzen: z. B. Atlantic City 1947, Buenos Aires 1952). Die nächste Regierungskonferenz wird im Jahre 1965 anläßlich des 100jährigen Bestehens der Internationalen Fernmeldeunion (UIT) stattfinden. Auswirkungen auf den Amateurfunk? Vermutlich keine. Der Amateurfunk ist im Internationalen Fernmeldevertrag wie auch viele andere Funkdienste gar nicht erwähnt. Da niemand auf die absurde Idee kommen wird, den Amateurfunk durch eine Klausel im Vertrag grundsätzlich zu verbieten, ist im allgemeinen von diesen Konferenzen keine Gefahr für uns zu befürchten.

2. Verwaltungskonferenz. Während bei dar Regierungskonferenz sogenannte Regierungsbevollmächtigte grundsätzliche Dinge regeln – oder auch nicht regeln –, befassen sich die Verwaltungskonferenzen mit den Einzelfragen der Fernmeldedienste. Die „Verwaltungen“ sind eine Stufe niedriger als die „Regierungen“. Die Verträge, die sie abschließen, haben aber die gleiche Rechtskraft. Im Fernmeldewesen nennt man diese Abkommen, die die Durchführung der einzelnen Aufgaben regeln, „Vollzugsordnungen“. Es gibt bisher drei Vollzugsordnungen: Eine für den Fernsprechdienst, eine für den Telegraphendienst und eine für den Funkdienst. Die letztere interessiert uns besonders. Trotz ihres nichtssagenden Namens haben diese Vollzugsordnungen Vertragscharakter. Sie werden besonders unterschrieben und zu Hause ratifiziert. (Bekannte Funkverwaltungskonferenzen: Kairo 1938, Atlantic City 1947, Genf 1959, von denen die beiden letzten parallel mit Regierungskonferenzen tagten.)

    Daneben gibt es noch regionale Konferenzen, z. B. die europäischen Rundfunkkonferenzen von Kopenhagen 1948, von Stockholm 1952 und 1961 etc.

    Auswirkungen auf den Amateurfunk? Jede Möglichkeit der Änderung zum Guten oder Bösen! Verwaltungskonferenzen beschäftigen sich mit Vorliebe mit dem Herzstück der Vollzugsordnung Funk, der Frequenzverteilungstafel, und hier liegen die Fußangeln!

    „Kann denn“, so wird oft gefragt, „eine Verwaltungskonferenz alte verbriefte Rechte, z. B. die Frequenzbereiche der Funkamateure, die doch in Washington feierlich zugesagt wurden, einfach ändern?“ Die bittere Antwort ist: Sie kann es, sie hat es getan und wird es wieder tun! „Feierliche Zusagen“ gibt es überhaupt nicht und hat es niemals gegeben, sie schwirren nur in den Köpfen einiger schlecht unterrichteter Träumer in unseren Reihen. Jede Verwaltungskonferenz hat das Recht, einen früheren von ihr geschlossenen Vertrag wieder zu ändern, sie kann Frequenzen nehmen und geben, großzügige und engherzige Regelungen für einzelne Funkdienste beschließen. Ob sie es beim Amateurfunk tut oder nicht, hängt im wesentlichen von unserer Stellung bei der Vielzahl der einzelnen Verwaltungen ab.

    Wie geht, das in Praxis vor sich? Ganz einfach. Viele Monate, manchmal bis zu zwei Jahre vor einer Konferenz, werden die Mitgliedsländer der UIT aufgefordert, Vorschläge zur Änderung der Vollzugsordnung einzureichen. Weder die UIT noch irgendeine Organisation – auch nicht die IARU – haben das Recht, selbst Vorschläge einzubringen. Dieses Recht steht einzig, und allein den Verwaltungen zu, die ja die UIT aus ihren finanziellen Beiträgen unterhalten. Jeder Vorschlag wird auf der Konferenz behandelt. Er wird meistens einem kleinen Gremium, einer Arbeitsgruppe, zur Vorklärung überlassen. Bereits hier werden sehr oft die Weichen für die endgültige Entscheidung gestellt. Zwar steht es jedem Lande frei, einen Vorschlag nach seinem Gang über die Unterkommission und die Kommission in der Vollversammlung erneut zu diskutieren. Doch werden diese Notbremsen nur in äußerst wichtigen Fällen gezogen. Da jede Konferenz in ihrer Dauer knapp bemessen wird, um die Kosten niedrig zu halten, wird von den Anwesenden jede erneute Diskussion bereits vorgeklärter Dinge als störend empfunden. (Teilnehmer an Distrikts- oder Clubversammlungen werden dies nachempfinden können.) Sehr oft kommt es allerdings auch vor, daß sich In den Vollversammlungen für noch so vernünftige Vorschläge keine Mehrheit findet, weil die kleinen Länder mit Sitz und Stimme an den Beratungen der unteren Gremien nicht teilnehmen konnten. Außerdem kommen immer neue Länder hinzu, die einfach nicht genügend sachverständige Delegierte mitbringen können und sich in ihren Entscheidungen mehr politisch als sachlich orientieren.

    Es sei nochmal wiederholt: Alles Gerede von „feierlichen Zusagen“ aus der Vergangenheit verwirrt nur die OM. Jede Verwaltungskonferenz hat die unbeschränkte Vollmacht – natürlich im Rahmen ihrer Aufgabenstellung –, die Bedingungen für das Arbeiten eines Funkdienstes zu ändern. Dies gilt genau so für den Rundfunkdienst, wie für den Flugfunkdienst oder für den Amateurfunkdienst.

    Dem wird nun oft recht lautstark aus wohlmeinendem, aber auf diesem Gebiet meist recht schlecht unterrichtetem Munde entgegengehalten, dies seien die Argumente unserer Gegner, die wir uns nicht zu eigen machen dürften. Wer so denkt, untergräbt durch Wunschdenken unsere Stellung, auch wenn er es nicht will. Denn es handelt sich hier nicht um Argumente, sondern um Tatsachen; und je klarer wir diese erkennen, um so leichter wird es sein, das Richtige zu tun, damit der Amateurfunk auch über die Hürden, die die Zukunft für ihn aufbauen wird, unbeschadet hinwegkommt.

    Ein Musterbeispiel war die kürzliche Außerordentliche Verwaltungskonferenz für den Weltraumfunk, Genf 1963. Vor Konferenzbeginn sah es nicht so aus, als ob der Amateurfunk sehr betroffen wäre, von cm-Wellenbereichen einmal abgesehen. Dann ergab sich aber bereits während der ersten Konferenztage folgende Lage: Alle erdgebundenen Funkdienste sollten nur am Weltraumfunkdienst teilnahmen können oder sich seiner Mittel bedienen dürfen, wenn es ihnen ausdrücklich in der geänderten Vollzugsordnung Funk gestattet würde. Der Rundfunkdienst z. B. im Mittelwellenbereich, soll nicht einfach einen Satelliten an den Himmel hängen und von oben lustig Rundfunkprogramme verbreiten können, auch wenn keine Störungen anderer Sender möglich sind.

    Was sollte nun mit den Amateuren geschehen? Einfach auf eine schriftliche Festlegung unserer Teilnahme am Weltraumfunk verzichten und hoffen. daß es in Zukunft wie bisher mit den OSCAR-Satelliten gehen würde? England stand auf Grund seiner nationalen Funkregelung eindeutig auf dem Standpunkt, daß jeder Satellitenfunk Weltraumfunk sei. In der Tat wurden die ersten Aufnahmen der OSCAR-Sendungen durch englische Amateure von der GPO zunächst als illegal angesehen und erst später durch eine Sonderregelung legalisiert. Einfach negieren wäre letzten Endes für die Amateure recht problematisch geworden, denn da hinge es nur vom guten Willen der beteiligten Verwaltungen ab, ob solche Versuche entgegen der VO Funk durchgeführt werden dürften. Daher schlug England In einer Fußnote zum 2-m-Bereich (144–146 MHz) vor, Amateuren die Verwendung von Satelliten zu gestatten. Glücklicherweise hatte Australien sich In letzter Minute entschlossen, den Bereich 144–146 MHz ab 01.01.1964 ebenfalls den dortigen Amateuren zuzuteilen. Somit war dieser Bereich wenigstens als weltweit anzusehen und den Gegnern der Amateursatelliten ein Argument genommen.

    Als es aber deutlich wurde, daß England seine Fußnote restriktiv gedeutet haben wollte und unter keinen Umständen bereit war, auch andere Bereiche einzubeziehen, hakte der Ostblock, unterstützt von Jugoslawien, Kuba und einigen Ländern die weniger sachlich als politisch dachten, ein. Es wurden Klagelieder über die armen Amateure auf der Erde gesungen, die nun mehr von Amateursatelliten gestört würden usw. usw. In endlosen Debatten, in denen konfuses Zeug über den Amateurfunk vorgebracht wurde, zeichneten sich die Fronten ab. Die USA, England und Kanada bissen in den saueren Apfel eines Kompromißvorschlages mit dem Ostblock. Äußerlich in einigen Formulierungen bestechend – es wurde sogar die IARU erwähnt –, in Wahrheit aber voller Fallstricke und in Praxis bei genauer Auslegung undurchführbar, hätte dieser Kompromiß, der eine „Koordinierung“  zwischen den nationalen Amateurverbänden vorsah und das CCIR erst einmal mit dem Studium der Arbeitsbedingungen der Amateursatelliten beauftragte, zur absehbaren Blockierung aller Versuche geführt. In einer Kampfabstimmung fiel der Kompromiß, und die Fußnote zum 2-m-Band wurde von allen Hemmnissen befreit. Der Wortlaut läßt sogar zu, daß der 2-m-Satellit auf einem anderen Bande „hören“ kann, was für wissenschaftliche Versuche Im IQSY auf 10 m recht interessant sein kann. Die USA und England mußten, da sie am Kompromiß beteiligt gewesen waren, fairerweise für ihn stimmen. Kanada enthielt sich der Stimme, was im Osten recht übel vermerkt wurde. Im DL-QTC soll über die Genfer Konferenz noch ausführlicher berichtet werden, um die historisch interessanten Vorgänge, die den Eintritt der Funkamateure In das Weltraumzeitalter bei der ersten Raumfunkkonferenz begleiteten festzuhalten und späterer Legendenbildung entgegenzuwirken.


    3. Technische Konferenzen (CCIR)
    Bei diesen Konferenzen geht es letzten Endes um Normungen. Das CCIR (Internationaler Beratender Ausschuß für den Funkdienst) arbeitet mehr im Vorfeld der Funkverwaltungskonferenzen. Gelegentlich tauchen auch für uns wichtige Probleme auf, wie z. B. 1959 die Festlegung der ZF für Fernsehempfänger. Eine Beibehaltung der 21-MHz-Norm wäre für unser 15-m-Band der Todesstoß geworden. Vorschriften für Toleranzen usw. berühren nicht den Lebensnerv der Amateure, sie geben im Gegenteil neue Impulse für den jeweiligen Stand der Technik.

Was können die Amateure tun? Hier Ist nicht der Ort, moralische Ratschläge zu geben. Die nationalen Amateurverbände müssen es aber zu ihrer obersten Aufgabe machen, gute Beziehungen zur „Verwaltung“ zu pflegen, damit diese auch in Zukunft auf den Konferenzen ihren Einfluß pro Amateurfunk geltend macht. Wenn mit diesem Rat diese Ausführungen ganz in die Nähe der Thesen des Vorsitzenden des Exekutivausschusses der IARU-Region 1, Harry Laett, HB9GA, geraten, der mit seinem Aufsatz „Was wir sind und was wir nicht sind ....“ (DL-QTC 5/1962) einen erheblichen Wirbel verursachte, dann liegt dies einfach an den Tatsachen, wie sie sind. Wer die amerikanische QST genau liest, wird wissen, daß drüben im Stammland des Amateurfunks Präsident Herbert Hoover, W6ZH, der ARRL seit einigen Monaten ganz harte Worte sagt. Unter dem Schlagwort „house cleaning“ versucht man sich dort auf einen neuen Kurs einzustellen. Verschiedene Lizenzklassen mit Anreiz zur Weiterbildung wurden der FCC vorgeschlagen. Der Vorsitzende der X. Studienkommission des CCIR, Prose-Walker, WØDCA, ein alter und aktiver Amateur, hat Im Oktoberheft 1983 der QST in gleicher Weise den US-Amateuren einen Spiegel vorgehalten: Entweder wir suchen nach Mitteln und Wegen, dem Amateurfunk neue Daseinsberechtigung zu schaffen - oder wir werden eines Tages verschwinden.

Daß der DARC seit seinem Bestehen den richtigen Weg eingeschlagen hat, zeigen seine wachsende Mitgliederzahl und sein gutes Einvernehmen mit der Fernmeldeverwaltung. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß dieser Weg auch In Zukunft gegangen wird, selbst wem einzelne OM in gutwilligem, aber im Ergebnis schädlichem Tatendrang zu spektakulären „Aktionen“ aufrufen.

DL1XJ


Abschrift und Archiv-Bearbeitung: DC7XJ


Arbeitsblätter Rundspruch-Archiv