Deutscher Amateur-Radio-Club
Britische Zone e. V.
Hamburg, den 25.1.50

OV/12/50
Verteiler 1) Alle OVe des DARC/BZ
2) Verbände der amerikan. und franz. Zone und Berlin

Betr.: Zusammenarbeit mit der Bundespost


Brieflich angeforderte Einzelheiten sowie Unterredungen über die Umstände, unter denen Lizenzsperren und -widerruf seitens der Post vorgenommen werden, lassen erkennen, daß darüber dringend eine Unterredung mit der HVPF erforderlich ist.

Es handelt sich dabei um Probleme, die im Kreise des Amateurrats bereits erörtert wurden und die Zusammenarbeit zwischen der Post und dem DARC betreffen. Der DARC hat bisher zu diesen Fragen bewußte Zurückhaltung geübt, um die Dinge – wie bei jeder neuen Einrichtung – sich einspielen zu lassen. Das Verhältnis hat sich nun in den einzelnen OPD-Bezirken und bei den Dienststellen sehr unterschiedlich entwickelt. Sehr gute Zusammenarbeit bei einigen Stellen stehen Ablehnung und z. Tl. sehr autoritatives Verhalten anderer Stellen unter Mißachtung demokratischer Grundsätze gegenüber. Als Beispiel sei erwähnt, daß ein Postbeamter gegenüber einem Lizenzinhaber äußerte: „Die Post kann Lizenzen austeilen und wieder einziehen, ganz wie es ihr beliebt, und braucht einen Grund dafür nicht anzugeben“! Auf die Drohung einer sofortigen Lizenzentziehung hat sich der betr. OM eine Auskunft des Amtsgerichts geben lassen, daß er durch Feststellungsklage vor dem Amtsgericht einer solchen Maßnahme begegnen könne. Diese Möglichkeit bezeichnete der Postbeamte als „einfach lächerlich. Er brauche nur einen Satz an das Amtsgericht zu schreiben, dann müßte dieses die Auskunft widerrufen.“!

Solche Bemerkungen sind im Hinblick auf Artikel 19/4 des Bonner Grundgesetzes geradezu unglaublich! Denn dieser Artikel gibt jedem Staatsbürger gegen Eingriffe staatlicher Stellen in Zweifelsfällen die Klage vor den ordentlichen Gerichten an die Hand.

  1. Es ist festzustellen, daß der größte Teil der Unterlagen über die Fälle mir leider erst jetzt zugehen. Ich verstehe zwar, daß jemand, der sich schuldig fühlt, nicht gern mit anderen über seinen „Fall“ redet, kann es aber durchaus nicht begreifen, wenn das Gegenteil der Fall ist. Ohne Kenntnis der Unterlagen konnte daher nichts unternommen werden, ohne diese konnte DL1UU vom AR nicht beauftragt werden, etwas zu tun.
  2. Da nunmehr ein Teil der Unterlagen bekannt ist, stelle ich für den DARC/BZ den Antrag an den Amateurrat, DL1UU sofort zu beauftragen, folgende grundlegende Angelegenheiten mit der HVPF in einer persönlichen Unterredung unter vorheriger Festlegung der zur Sprache kommenden Einzelpunkte in einem Exposé zu erörtern. Es ist also folgendes zu tun:
  1. Die einzelnen OVe sammeln sofort hieb- und stichfeste Unterlagen über Vorgänge bei der Zusammenarbeit mit der Post, die ihrer Ansicht nach erweisen, daß untergeordnete und höhere Dienststellen gegen den Verband oder Einzelmitglieder gerichtete ungerechtfertigte Maßnahmen getroffen haben. 1UU muß damit ein Material erhalten, das einwandfrei und nicht einseitig gefärbt ist, mit dem er etwas anfangen kann. Originale oder Photokopien derselben, Zeugenaussagen und eidesstattliche Erklärungen sind darunter zu verstehen.
  2. Schwarzsenderfälle, Begünstigung von Schwarzsendern können nicht bearbeitet werden, dabei fasse ich den Begriff „Schwarzsender“ lt. Artikel in der CQ Nr. 8/48 auf Seite 185. Postmaßnahmen beim Arbeiten mit unlizenzierten Stationen (z. B. DK8) interessieren, wenn der OM nicht wissen konnte, daß es sich um einen getarnten Schwarzsender in der amerikan. oder brit. Zone handelte. Auch Schwierigkeiten mit der Post beim unbeabsichtigten Arbeiten mit Piraten bitte mitteilen.
  3. Das Material muß bis zum 15.2.50 bei DL1UU (DARC, Hamburg 11, .....) vorliegen, es ist von ihm sofort auf prinzipielle Fragen für das Exposé zu bearbeiten. Dieses soll der HVPF mit angemessener Frist (ca. 10–14 Tage) zur Verfügung gestellt werden, damit diese Gelegenheit hat, es durchzuarbeiten und dann die Verabredung treffen kann.
  4. Die Besprechung soll am besten mit zwei weiteren Vertretern anderer Verbände in Frankfurt/Main stattfinden. Ich schlage dazu DL1AL und DL1BB vor.
  5. Ein Verhandlungsprotokoll ist anzufertigen zur Unterrichtung der Verbandsvorsitzenden, das auch Grundlage für spätere Zusammenarbeit mit der Post in klar umrissenen Richtlinien enthalten soll. Die Bundespost ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sie es nicht mit einem einzelnen Verband sondern mit allen DARC-Verbänden zu tun hat.
  1. Aus dem bisher vorliegenden Material gehen, ohne die Einzelfälle zu erwähnen, folgende, einer Behörde in einem demokratischen Staat nicht entsprechende Maßnahmen hervor, die der DARC/BZ und sicher auch die anderen Verbände nicht dulden können:
  1. Eine vorläufige Lizenzsperre nach Verwarnung kann notwendig werden. Das bedeutet Sendeverbot, aber nicht Rückgabe der Lizenz. Auf Einspruch der Betroffenen muß die Post ihm binnen 1 Monat Gelegenheit zu persönlicher Rechtfertigung geben. Erfolgt bis zu dieser Frist keine Verhandlung, so kann er notfalls lt. Artikel 19/4 des Grundgesetzes eine Klage auf Feststellung erheben, daß seine Lizenz wieder gültig ist. Die Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfes ist durch den Mitarbeiter der Hansestadt Hamburg am Grundgesetz, Herrn Dr. de Chapeurouges mündlich bestätigt worden.
  2. Nach Herrn Dr. Buccerius hat man in Bonn Interesse daran, Übertretungen der Behörden, die das Grundgesetz betreffen, kennenzulernen. Bekanntgabe an den Rechtsausschuß wurde nahegelegt.
  3. Der endgültige Lizenzwiderruf gemäß § 4 des AFuG setzt voraus, daß eine Strafbarkeit des betr. OM durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts festgestellt ist. Ein rechtskräftiges Urteil liegt erst dann vor, wenn der Betreffende auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet oder die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels (in der Regel eine Woche bei Strafurteilen) hat verstreichen lassen. Erst dann kann die Rückgabe der Lizenzurkunde gefordert werden.
  4. Der DARC legt nun durchaus keinen Wert darauf, jeden Fall gerichtlich durchzufechten, im Gegenteil, er möchte, soweit es seine Mitglieder betrifft, als Mittler eingreifen, wo es notwendig ist, ohne dadurch den Rechtsanspruch seiner Mitglieder nach 3 a–c zu beschneiden.
  5. Wir stellen auch fest, daß die Bundespost keine Exekutivbehörde ist wie etwa die Polizei.
  6. Wenn die Bundespost einwenden sollte, daß der DARC keine juristische Person sei, mit der er verhandeln kann, so ist dem entgegenzuhalten, daß zumindestens der DARC/BZ als Verein eingetragen ist und folgende Mitgliederzahlen gegenüber den anderen Verbänden umfaßt:
        DARC/Bayern 430 Mitgl.     DARC/BZ 2400 Mitgl.
DARC/Hessen 250 Mitgl. DARC/WB 270 Mitgl.
  1. In jeder Gesellschaftsschichtung gibt es undisziplinierte Leute, ohne Zweifel auch im DARC. Die Anzahl der Verstöße gegen das AFuG im Vergleich zu den Mitgliederzahlen oder Lizenzen ist aber gering (1–2 %), da die Clubs sich bemühen, selber Funkordnung unter den Mitgliedern aufrecht zu erhalten.
  2. Die Auffindung von Schwarzsendern erfordert technische Voraussetzungen (Funküberwachung), über die der DARC nicht verfügt und auch nicht zu verfügen braucht. Dazu ist das FTZ eingesetzt, es ist dessen Aufgabe. Der DARC ist keine Überwachungsbehörde und die Post soll uns keinen Vorwurf daraus machen. An der Auffindung wirklicher Schwarzsender sind wir aber genau so interessiert.
  3. Wir sollten bald einen Kommentar für das Fernmelde-Anlagen-Gesetz von 1928 zusammenstellen, der erweist, daß außer den auf Basis des Welt-Nachrichten-Vertrages beruhende Abschnitten auch sonst manches nicht mehr der Zeit entspricht. Das FAG 1928 ist technisch und auch in den sonstigen Bestimmungen vielerorts überholt, das weiß auch die Post. Der Kommentar soll auch die Ausführungsbestimmungen umfassen. Verhandlungen mit der Post auch darüber sind dringend erforderlich.
  1. Der DARC hat sein Amateurgesetz selber ausgearbeitet und eingereicht, er hat erklärt, mit der Post zusammenarbeiten zu wollen, als wir von der MilReg gefragt wurden, ob getrennte FCC-ähnliche Institution (wie in den USA) oder Post. Es liegt darin, wir wollen nicht darauf pochen, eine kleine moralische Verpflichtung auf gute Zusammenarbeit.
  2. Der DARC hat zum AFuG bzw. den Durchführungsbestimmungen Änderungs- und Verbesserungsvorschläge zu machen, er erwartet dazu eine gemeinsame Besprechung mit der HVPF.
  3. Wenn die Bundespost Ausführungs-Bestimmungen oder Paragraphen des Gesetzes zu ändern hat, so muß der DARC als der Fachverband der Amateure mit 95 % aller Lizenzen vorher gehört werden. Die Bestimmungen gehen unsere Lizenzinhaber an, wir haben in einem demokratischen Staat das Recht, dazu gehört zu werden. Wir erkennen keine Diktatur an. (Siehe dazu als Beispiele die Kommentare in der QST zu den „Proposals“ der FCC!)
  4. Trotz aller Vorstellungen verweigert die Post Auskünfte über laufende Fälle von Verstößen. Sie berief sich dabei auf die Geheimhaltungspflicht und, daß in laufenden Verfahren nicht eingegriffen werden könne. Es wurden uns lediglich Zahlen genannt. Man erklärte offen, daß sonst Schwarzsender gewarnt werden könnten. Ich frage die Post, wie es dann möglich ist, daß ein Rundspruchsender eines Postangestellten solche Fälle offen ausstrahlt. Ich betrachte dies als offenes Mißtrauen gegenüber dem DARC, gegen das ich für den DARC/BZ schärfstens Verwahrung einlegen muß.
  5. Ich fordere für den DARC/BZ daher eine Erklärung dazu und bitte diese vorher, bevor über die Beteiligung der Post an einem monatlichen Artikel in der CQ gesprochen wird, klarzustellen.
  6. Die Post bittet darum, daß ihr Artikel in der CQ „ohne Kommentar“ von uns hingenommen wird. Es muß wohl besser „ohne gleichzeitigen Kommentar“ heißen. Auch hier möchten wir nicht gerne „Diktate“ entgegennehmen sondern wollen Stellung dazu nehmen können. Auch die Post ist nicht unfehlbar – wir selbst auch nicht –, aber vielleicht war dies nur ein kleiner Irrtum.
  7. Ich wünsche für den DARC/BZ und glaube mich auch mit den anderen Verbänden darüber einig, im Interesse der deutschen Amateure im Frieden und guten Einvernehmen mit der Post zu arbeiten. Der Wille dazu muß daher von beiden Seiten gezeigt werden. Gegenseitige Diffamierungen müssen vermieden werden, das gilt für den schriftlichen und persönlichen Verkehr. Es muß bei allen Äußerungen ein entsprechender Ton gewahrt werden. Es soll z. B. vorgekommen sein, daß acht Tage vor der Lizenzsperre hämische Bemerkungen eines Beamten über zu treffende Maßnahmen der Post bei den Amateuren bekannt wurden. Daraus sieht man, daß die Geheimhaltung doch nicht funktioniert. Andererseits gehört es sich genau so wenig von den Amateuren über schwebende Fälle sogar in der Luft solche Bemerkungen zu machen! Das ist nicht nur taktlos, sondern fördert die Sache in keinem Fall!
  8. Bei Schwierigkeiten mit der Post sind sowohl die Verbindungsmänner zu der betr. OPD als auch DL1UU zu benachrichtigen. Berichte objektiv abfassen, diese können nur mit einwandfreiem Material bei der Post auftreten. Die Verbindungsmänner zu den OPDen sollen konziliant aber fest die Sache des Verbandes vertreten.
  9. Ich bitte ferner, bei der HVPF zu beantragen, daß von oben eine Anweisung ergeht, daß die OPDen mehr als bisher mit den Verbindungsmännern zusammenarbeiten. Wir wissen aus den OPD-Bezirken, wo dies gut geschieht, daß auch dort das Verhältnis zur Post im allgemeinen gut ist. Diese Einrichtung ist von uns mit Vorbedacht getroffen worden. Eine rechtzeitige Aussprache vor Ansammlung von Explosivstoff fördern nur eine gute Zusammenarbeit. Betrachtet die Verbindungsmänner als Eure Vertrauensleute und wählt dazu die richtigen OM, die Euch helfen und fest zu der Sache des Clubs stehen und geeignete Verhandlungstaktiker sind.
  10. In unserem demokratischen Deutschland wollen wir keine Diktatur, gegen die wir uns nach den vergangenen 1000 Jahren ganz entschieden zur Wehr setzen werden. Man soll uns als gleichberechtigten Verhandlungspartner auffassen. Ordnung und Funkdisziplin gehören aber trotzdem auch in eine Demokratie. Es kann niemand tun und lassen, was er möchte!
  11. Wie in anderen Ländern, z. B. England und den USA mit seinen z. Zt. ungefähr 100.000 Amateurlizenzen soll man der Amateurentwicklung auch in Deutschland etwas großzügig gegenüberstehen und dem Amateur nicht durch kleinliche Auslegung des AFuG sein Hobby, seinen Sport verwässern.

Es ist nun für die Anlaufzeit psychologisch durchaus erklärlich, wenn von beiden Seiten solche Differenzen auftreten. Sind es doch die gleichen Menschen, die oft noch im alten Trott fahren. Die jahrelange Unterdrückung des deutschen Sendeamateurs macht diesen vielleicht eher hellwach, wenn er die praktische Erfahrung macht, daß seine durch das neue Gesetz erworbenen Rechte wieder in alte ungern gesehene Bahnen werden sollen. Wenn wir eine Gefahr für die deutschen KW-Amateure erkennen, so nehme ich mir auch das Recht heraus, wie vorstehend deutlich darauf hinzuweisen. Nur wer klar erkennt, kann auf Abhilfe sinnen! Es geht um unsere Amateursache. Helft daher mit, Unterlagen dafür zu sammeln – aber gute! Wir wollen auch daran denken, daß viel an unserem eigenen Verhalten der Post gegenüber liegt. Ein altes Sprichwort sagt: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“. Man muß dazu etwas über den Dingen stehen, gerecht, ruhig, aber fest seinen Standpunkt vertreten. Ich will für den deutschen Frieden und eine Entwicklung wie sie in anderen demokratischen Ländern seit vielen Jahrzehnten selbstverständlich ist.

Ich stehe mit OM Kawan in täglicher Fühlungnahme. Wir brauchen zu Vorstehendem Eure Unterstützung, da wir nicht selber überall hinkommen könne. Schreibt und bitte bis zum 15.2., ob Ihr Sorgen habt oder nicht.

Ich kann hier verständlicherweise nur für den DARC/BZ sprechen. Die Verbandsvorsitzenden der übrigen Verbände erhalten dieses Rundschreiben ebenfalls. Sie mögen es an ihre DM und OVVe weitergeben oder nicht, das ist ihre Sache! Ich weiß, daß schon ein anderes AR-Mitglied sich für eine offene Diskussion über dies Verhältnis eingesetzt hat, und denke, daß wir uns alle einig sind, daß in dieser alle Verbände angehenden Angelegenheit etwas getan werden muß.

73 Euer 1WA


Abschrift und Archiv-Bearbeitung: DC7XJ


Inhalt 1950 Rundspruch-Archiv