SONDER-RUNDSPRUCH NR. 2/95 VOM 02.07.1995


Liebe XYLs, YLs und OM,
hier ist DAØRC, am Mikrofon DL9MH. Ich begrüße Sie als Hörer des 2. Sonder-Rundspruchs in diesem Jahr. Der Rundspruch wird von mir wie üblich auf den Frequenzen 3770 kHz in SSB, sowie auf 145,150 MHz in FM abgestrahlt. Er wird von DK4EI live übernommen und auf ca. 7090 kHz in SSB übertragen. Die Übernahme und Verbreitung auf weiteren Frequenzen ist ausdrücklich erwünscht. Der Inhalt dieses Rundspruchs wird auch in Packet-Radio veröffentlicht. Nach der Sendung stehen neben mir auch Kollegen aus dem Vorstand und aus den Referaten des DARC sowie der Justitiar des DARC für die Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung.


Der heutige Rundspruch ist einem einzigen Thema gewidmet, nämlich der bevorstehenden Ergänzung des Amateurfunk-Gesetzes. Obwohl die meisten unter Ihnen als Beobachter der Vorgänge die Entwicklung in der Sache kennen werden, möchte ich sie zum Einstieg in das Thema kurz umreißen.

Bereits seit Jahren beabsichtigte das BMPT, das AFuG zu ändern, es war allerdings jahrelang nicht in der Lage, diese Absicht überzeugend zu begründen, obwohl es im Zuge der Verhandlungen um eine neue Durchführungsverordnung zum AFuG immer häufiger Hinweise auf regelungsbedürftige Sachverhalte gab, die vom bisherigen AFuG nicht erfaßt sind.

Erst als im Zuge der Poststrukturreform der gesamte Bereich der Telekommunikation gesetzlich neu geregelt werden sollte, sah das BMPT die Möglichkeit, seine Absicht, das AFuG zu ändern, in diesem Zusammenhang mit zu begründen und durchzusetzen. Dabei bestand zunächst die Vorstellung, das AFuG ganz zu streichen und den Amateurfunk im neuen Telekommunikationsgesetz mit zu regeln.

Es ist uns gelungen, das BMPT und die politischen Entscheidungsträger davon zu überzeugen, daß eine Realisierung dieser Vorstellung dem Charakter des Amateurfunks nicht gerecht würde. Sie waren und sind bereit, dem Amateurfunk den besonderen Schutz eines eigenen, speziellen Gesetzes zu belassen. Nicht abrücken wollen sie jedoch von einer Ergänzung des bestehenden AFuG, um dieses den neuen Erfordernissen anzupassen.

Als Bürger dieses Landes und auch als Funkamateure sollten wir uns der Einsicht nicht verschließen, daß nicht nur formale Veränderungen in den Bezügen eine solche Ergänzung unseres Gesetzes bedingen. Es ist auch notwendig und schlußendlich auch zu unserem Vorteil, Regelungen neu in das Gesetz einzubringen, für die es im bisherigen AFuG keine Regelungsermächtigung gibt. Über EMVU zum Beispiel hat 1948 noch niemand geredet. Trotzdem, oder gerade deswegen ist das heute ein brisantes Thema, das möglichst in unserem Spezialgesetz bundesweit, und nicht durch andere Gesetze oder gar auf Länderebene in Bauvorschriften geregelt werden sollte.

Nachdem wir festgestellt hatten, daß die Ergänzung unseres AFuG durch das BMPT beschlossene Sache ist, haben Vorstand und Amateurrat des DARC beschlossen, aktiv an dieser Ergänzung mitzuwirken, um damit auch Änderungen zu unseren Gunsten in der anstehenden, neuen Regelung zu verankern.

Das war die Situation Anfang April 1995, als ich im ersten Sonderrundspruch dieses Jahres Informationen auch zu diesem Thema abgegeben habe. Ich möchte Ihnen nun schildern, wie es weitergegangen ist.

Am 09. und 10.05.1995 führte ich, gemeinsam mit dem damaligen Referenten für Gesetze und Normen Karl Vögele, DK9HU und dem Geschäftsführer des DARC, Bernd Häfner, DB4DL, mehrere Gespräche mit einer Reihe von wichtigen Persönlichkeiten in Bonn. Das waren der Vorsitzende des Ausschusses für Post und Telekommunikation des deutschen Bundestages, der Abgeordnete Börnsen (SPD), sein Stellvertreter, der Abgeordnete Dr. Pohler (CDU), die Abgeordneten Elmar Müller (CDU) und Rübenkönig (SPD), und schließlich im BMPT der für uns zuständige Abteilungsleiter, Min.Dir Dipl.-Ing. Ehrnsperger und sein für uns direkt zuständiger Referatsleiter Min.-Rat Dipl.-Ing. Werkhausen.

Dabei erfuhren wir, daß das Ministerium etwa Ende Juli/Anfang August dieses Jahres seinen Entwurf für ein ergänztes Amateurfunkgesetz vorlegen wird. Bei den Abgeordneten stellten wir das Interesse fest, außer den Informationen aus dem BMPT auch die Vorstellungen der Funkamateure zu diesem Thema aus erster Hand zu erfahren. Wir verabredeten, daß wir diese unsere Vorstellungen kurzfristig zusammenstellen und nach Beratung im RTA unseren Gesprächspartnern zustellen würden.

Wir hatten bereits entsprechende Grundlagen erarbeitet, um für alle möglichen Fälle vorbereitet zu sein. Die Formulierungen sollten abschließend vom Justitiar rechtlich abgesichert werden. In der Zeit vom 10. Mai bis zum 10. Juni ging es dann Schlag auf Schlag: Der Justitiar konzipierte aus den ihm zugeleiteten Formulierungen einem ganz neuen Text. Das weitere Vorgehen wurde auf der Hauptversammlung des DARC am 14. und 15.05. mit dem Amateurrat beraten und von diesem beschlossen. Die inzwischen „Bausteine zur rechtlichen Regelung im Amateurfunk“ genannten Texte des Justitiars wurden an die Mitglieder des RTA und des Amateurrats zur Kommentierung geschickt und gleichzeitig in Packet-Radio veröffentlicht. Der RTA beriet diese Bausteine am 10.06. und sandte sie am darauf folgenden Tage an die Abgeordneten und nachrichtlich an das BMPT.

Das also war der Ablauf der Dinge in den vergangenen zwei Monaten. Bevor ich mich nun einigen besonders heiß diskutierten Punkten unserer „Bausteine“ zuwende, noch ein paar Bemerkungen zu dem bisher gehörten:

Wir sehen es als einen bemerkenswerten Erfolg unserer Bemühungen an, daß wir unsere Vorstellungen den politischen Entscheidungsträgern unmittelbar zustellen konnten und von ihnen die Zusicherung erhielten, daß sie sich noch vor der Vorlage eines BMPT-Entwurfes des AFuG damit befassen wollen. Die Grundkonzeption, in Politik und Behörde keine Gegner, sondern Partner zu sehen und sich entsprechend zu verhalten, trägt allmählich Früchte. So konnten wir die Probleme um das 70cm-Band lösen und so werden wir auch bei der Überarbeitung des AFuG zu einer allseits tragfähigen Lösung kommen. Und schließlich: Die „Bausteine“ sind KEIN Vorschlag für ein AFuG oder eine Durchführungsverordnung. Solche Vorschläge wird das BMPT auf den Tisch bringen und an deren Diskussion werden wir unsere Mitglieder, wie versprochen, beteiligen.

Kommen wir jetzt zu den „Bausteinen“ selbst. Sie sind eine Sammlung von Texten, welche den Abgeordneten ein Bild davon machen sollen, was den derzeitigen Status des Amateurfunks ausmacht, den es zu erhalten gilt. Bei der Formulierung, ganz besonders bei Verbesserungsvorschlägen, war Augenmaß zu bewahren. Insbesondere bei solchen Passagen, die sich mit möglichen Konflikten von Funkamateuren mit anderen oder mit der Umwelt beschäftigen, war zu berücksichtigen, wie die Abgeordneten quasi von außen den Amateurfunk sehen. Konkret heißt das, sich vor Maximalforderungen zu hüten. In Deutschland kommt etwa ein Funkamateur auf 1200 Einwohner. Praktisch jeder Bürger benutzt Telekommunikation auf irgendeine Weise. Dieses Verhältnis 1200:1 muß man im Auge behalten, wenn man die Reaktion von Politikern nicht völlig falsch einschätzen will. Eine Einstellung wie „Der gestörte Fernsehteilnehmer soll sich einen entsprechend einstrahlungsfesten Empfänger kaufen, wenn er gestört wird, den Funkamateur kann das doch nichts angehen“ ist nicht konsensfähig, weder rechtlich noch sozialverträglich. Sie würde uns unglaubwürdig machen und „outen“, noch bevor wir überhaupt angefangen hätten.

Kritik an den „Bausteinen“ hat sich offensichtlich nur an den Bausteinen Nr. 7 (Betriebsuntersagung, Auflagen, Genehmigungsverzicht) und 13 (Maßnahmen bei Funkstörungen oder funkstörenden Beeinflussungen) entzündet. Die Vorteile der übrigen 15, würden sie geltendes Recht, waren offenbar für jeden erkennbar. Zu Nr. 7 sei angemerkt, daß danach einschränkende Maßnahmen nur befristet möglich sein sollen und nicht, wie bisher, unbefristet, und daß ein Funkamateur befristet auf seine Genehmigung verzichten können soll und sie nach Ablauf der Frist automatisch zurückerhalten soll. Beides wäre eine Besserstellung gegenüber geltendem Recht.

Kommen wir nun zu Baustein 13, den Maßnahmen bei Funkstörungen oder funkstörenden Beeinflussungen. Zu diesem Baustein ist durch einen Rundspruchautor, der seit Jahrzehnten den DARC unabhängig vom jeweiligen Vorstand kritisiert, eine hitzige Diskussion entfacht worden. Dieser OM hat eine Reihe von pauschalen Behauptungen in den Raum gestellt, die nun als Schreckgespenst von vielen, die selbst weder das geltende Recht noch die Bausteine wirklich kennen, weiterverbreitet werden. Und wie das so ist, vergrößert sich das Gespenst bei jeder neuen Nennung, und am Ende kommen Vorwürfe heraus wie „Totengräber des Amateurfunks in Deutschland“, verbunden mit der Aufforderung, den DARC als den Urheber all dieses Ungemachs mit dem Austritt zu bestrafen, oder zumindestens diesen verräterischen Vorstand abzuwählen.

Was ist denn eigentlich Sache? Jener Rundspruchautor hat die Funkamateure erschreckt, indem er den Baustein 13 „auseinandergenommen“ hat und daran schaurige Prognosen über die angebliche Rechtlosigkeit der Funkamateure in Kollisionsfällen geknüpft hat. Aber er ist ja schlau, unser Rundspruchautor. Er hat es vermieden, die derzeit gültige Rechtslage zum Vergleich mit den „Bausteinen“ heranzuziehen. Er kennt sie nämlich und weiß daher, daß ein solcher Vergleich, wenn man ihn systematisch anstellt, etwas zu Tage fördert, was nicht in sein Konzept paßt. Heraus kommt nämlich, daß die Anwendung der „Bausteine“ als gültiges Recht für die Funkamateure eine BESSERSTELLUNG gegenüber der geltenden Rechtslage bedeuten würde. Und damit könnte er dem RTA, in den er sich vergeblich bemüht hat hineinzukommen, und dem ach so unfähigen DARC-Vorstand ja keins auswischen.

Der Inhalt der „Bausteine“ selbst ist zu vielfältig, als daß man ihn im Rahmen eines Rundspruches systematisch behandeln und mit dem geltenden Recht vergleichen könnte. Niemand kann da die nötige Übersicht behalten. Eine Gegenüberstellung ist auch nur dann verständlich, wenn man sowohl die „Bausteine“ als auch die gültige DVO vor sich liegen hat. Aber natürlich gibt es eine solche Gegenüberstellung. Unser Justitiar hat sie in so kurzer Form wie möglich verfaßt. Wir können diese 6 eng bedruckten Seiten in der Geschäftsstelle bereithalten, und Sie können sie gegen einen an sich adressierten und frankierten Rückumschlag (A5, 3,– DM) erhalten. Außerdem gibt es in Packet-Radio sachlich fundierte Kommentare dazu, z. B. von DC5JQ oder von DF9IC. Wenn Sie an der Sache interessiert, aber in PR nicht QRV sind, so wird sich sicher ein befreundeter OM finden, der Ihnen die entsprechenden Files aus der Rubrik „DARC“ herausholt. Und außerdem können Sie natürlich nach diesem Rundspruch auf dieser Frequenz ihre Fragen stellen.

Sie, meine Zuhörer, könnten nun fordern, die Vorschläge des DARC und des RTA hätten deutlichere, für jeden erkennbare Verbesserungen der Rechtsstellung der Funkamateure enthalten sollen. Wir würden es begrüßen, wenn Sie in diesem Punkt der jahrzehntelangen, einschlägigen Berufserfahrung der Mitglieder des DARC-Vorstandes und des Justitiars vertrauen würden. Sie sollten wissen, daß mehrere Oberverwaltungsgerichte vertreten und begründet haben, daß dem Rundfunk- und Fernsehempfang eine höherwertige Bedeutung zukomme als dem Amateurfunk. Vor einem solchen Hintergrund muß man seine Vorschläge mit Augenmaß formulieren. Intern werbewirksame Maximalforderungen, deren Endergebnisse der Fordernde nicht vertreten muß, eignen sich nicht für eine verantwortungsvolle und solide Vertretung des Amateurfunks.

Soweit also zu den „Bausteinen“, die einigen Wirbel ausgelöst haben, weil notorische DARC-Kritiker sie für ihre Zwecke umfunktioniert haben. Es gibt da schon geradezu groteske Auswüchse, über die man lachen könnte, wenn sie nicht letzten Endes destruktiv wären und damit der Sache des Amateurfunks schaden würden. Es geht schließlich um allerhand. Stammtischstrategen, wie man sie zum Beispiel täglich auf 3635,4 kHz hören kann, mögen laut sein, konstruktiv und effektiv sind sie nicht. Sie fügen mit ihren ungezügelten Ausbrüchen der Sache des Amateurfunks Schaden zu. Sie hatten wie jeder andere die Chance, nach der Veröffentlichung der „Bausteine“ dazu Stellung zu nehmen, bevor diese verschickt wurden. Sie hatten die Gelegenheit, mitzuwirken und zu versuchen, die „Bausteine“ in ihrem Sinne zu verbessern, ihre demokratischen Rechte konstruktiv wahrzunehmen. Das haben sie nicht getan. Statt dessen hetzen sie nun die Funkamateure auf. Sie sehen rückwärts statt vorwärts.

Wie geht es nun weiter? Wenn der Entwurf eines ergänzten AFuG vom BMPT herausgegeben wird, werden wir dazu Stellung beziehen und dabei die DARC-Mitglieder in die Diskussion einbeziehen, wie seit langem versprochen. Und dann werden wir verhandeln, argumentieren und arbeiten, um für unseren Amateurfunk ein gutes und für die Zukunft tragfähiges Ergebnis zu erzielen. Die Ergänzung des AFuG ist unvermeidbar, wie Minister Bötsch bestätigt hat. Er hat aber auch versichert, daß er den Funkamateuren dabei keine Rechte nehmen will. Wir gehen an die Sache so heran, wie wir das unter vernünftigen und gesitteten Menschen für normal halten: Wir vertreten konsequent den Standpunkt, daß der Amateurfunk so erhalten bleiben muß, mit allen Rechten und Pflichten, wie er heute existiert. Wir versuchen ferner durchzusetzen, daß einige erkannte Schwachstellen in den bisherigen Regelungen zukunftsorientiert verbessert werden. Das alles betreiben wir sachlich, höflich und mit Achtung für den Standpunkt des Verhandlungspartners, der uns auch in solchen Angelegenheiten Beachtung schenkt, wo er es nicht unbedingt müßte. Wir halten das für den besten Weg. Bitte unterstützen Sie uns dabei.

DL9MH


Ende des Sonder-RS 2/95 vom 02.07.1995

Archiv-Bearbeitung: DC7XJ

..._._


Inhalt 1995 Rundspruch-Archiv